Neonazi-Mordserie:Zentralrat der Juden wirft Behörden Untätigkeit vor

"Die Ermittler scheinen in eine Art Winterschlaf versunken zu sein": Dieter Graumann, Präsident des Zentralrats der Juden, kritisiert das Vorgehen der deutschen Behörden im Fall der Neonazi-Zelle. Dass die Beamten nach einem Jahrzehnt noch kaum Erkenntnisse hätten, sei "ein Desaster".

Bei der Aufklärung der Neonazi-Mordserie hat der Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Dieter Graumann, den Behörden Untätigkeit vorgeworfen. "Die Ermittler scheinen in eine Art Winterschlaf versunken zu sein", sagte er dem Berliner Tagesspiegel. Sie hätten "schon ein ganzes Jahrzehnt gepennt, und noch immer tappen wir vollkommen im Dunkeln. Das ist ein Desaster", sagte Graumann.

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Dieter Graumann, Vorsitzender des Zentralrats der Juden in Deutschland, wirft den deutschen Behörden im Kampf gegen den Rechtsextremismus Untätigkeit vor.

Der Zentralrat der Juden in Deutschland hatte bereits Anfang Dezember Entschiedenheit bei einem erneuten NPD-Verbotsverfahren gefordert. Man wolle diese Partei nicht in den Parlamenten, hatte Graumann gesagt. Der Zentralrat habe da eine andere Haltung als manche Politiker.

Justizministerin fordert Kodex für V-Leute

Unterdessen fordert Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger eine klare gesetzliche Regelung für die Anwerbung und den Einsatz von V-Leuten des Verfassungsschutzes. "Es ist unerträglich, dass sie in einer rechtlichen Grauzone operieren", sagte sie der Welt am Sonntag. "Wenn es schon V-Leute gibt, muss klar sein, was sie dürfen und was nicht." Es könne nicht sein, dass V-Leute Straftaten begehen. "Es kann auch nicht sein, dass Informanten staatliche Mittel zur Stabilisierung der NPD einsetzen", sagte die stellvertretende FDP-Vorsitzende.

Leutheusser-Schnarrenberger stellte den Einsatz staatlicher Informanten in der rechtsextremistischen Szene grundsätzlich infrage: "Ich habe meine Zweifel, was den Mehrwert angeht. Das bestehende V-Mann-System jedenfalls kann keine Zukunft haben." Vor einem neuen NPD-Verbotsverfahren müsse man die V-Leute "ohne Wenn und Aber aus den Führungsebenen der Partei abziehen - und zwar auf Bundes- und auf Landesebene", verlangte die Ministerin.

Der Vorsitzende des Innenausschusses des Bundestags, Wolfgang Bosbach, sagte dem Tagesspiegel, man werde frühere Beamte befragen müssen, um herauszufinden, ob die Neonazi-Morde früher hätten entdeckt werden können. Es besteht dem CDU-Politiker zufolge noch erheblicher Aufklärungsbedarf.

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