Neonazi-Konzerte:Warum es so schwierig ist, Neonazi-Konzerte zu verbieten

Neonazi-Konzert in Thüringen

"Sturm auf Themar": Mehr als 6000 Teilnehmer kamen am Wochenende zum Neonazi-Konzert in Thüringen. Sie trafen auf 1000 Polizisten und mehrere Hundert Gegendemonstranten.

(Foto: Michaela Rehle/Reuters)
  • Veranstaltungen wie das Neonazi-Konzert im thüringischen Themar gehören zu den neueren Formen politischer Meinungskundgabe..
  • Jedoch ist es schwierig, solche Veranstaltungen verbieten zu lassen. Denn das Grundgesetz schützt das Versammlungsrecht.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe, und Cornelius Pollmer, Dresden

Nach dem bundesweit vermutlich größten Neonazi-Konzert des Jahres im südthüringischen Themar folgt auf eine kleine Erleichterung nun größeres Entsetzen. Während am Sonntag noch Durchatmen darüber zu vernehmen war, dass knapp 6000 Anhänger der rechten Szene ohne Zusammenstöße mit Gegendemonstranten in den und wieder aus dem Ort geleitet werden konnten, dominierten am Montag Bilder dessen, was da vom Staate abgesichert worden war: Auf Videoaufnahmen von dem Konzert ist oft der Hitlergruß zu sehen, die Polizei hat dies vor Ort nicht unterbunden.

Katharina König-Preuss, Sprecherin für Antifaschismus der Linksfraktion im Thüringer Landtag, forderte deshalb Konsequenzen. Es sei schon klar, dass eine Auflösung des Konzerts durch 1000 Polizisten bei fast sechs Mal so vielen Besuchern "eine absolute Eskalation bedeutet hätte". Gerade deswegen müssten nun alle Möglichkeiten geprüft werden, "um für die Zukunft solche Machtdemonstrationen von Neonazis zu unterbinden oder zumindest zu beschränken".

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) hatte bereits angeregt, die Rechtsvorschriften so zu präzisieren, dass Rechtsrock-Konzerte in Zukunft leichter verboten werden könnten, damit Behörden und Gerichte "diese Dinge nicht mehr unter Meinungsfreiheit abtun". Nur, so einfach, wie Ramelow es formuliert, wird es nicht gehen. Zwar sind seit der Föderalismusreform in der Tat die Bundesländer für das Versammlungsrecht zuständig - gewisse "Präzisierungen" könnte damit das thüringische Landesparlament beschließen. Doch was Ramelow vorschwebt, sind nicht nur Details, es betrifft vielmehr den Kern des im Grundgesetz geschützten Versammlungsrechts.

Gerichte beschäftigen sich seit einigen Jahren mit Meinungskundgabe

Veranstaltungen wie das Konzert in Themar gehören zu den neueren Formen politischer Meinungskundgabe, die Gerichte beschäftigen sich seit einigen Jahren damit, nicht nur im rechten Milieu. Bereits 2001 hatte das Bundesverfassungsgericht zwar entschieden, dass die Love-Parade keine Versammlung, also kein Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung sei, sondern eine "auf Spaß und Unterhaltung ausgerichtete öffentliche Massenparty".

Gleiches, so die Richter, gelte für die als Gegenprogramm gedachte Fuck-Parade. Das Schwergewicht liege in beiden Fällen auf der Unterhaltung, Meinungskundgabe sei Nebensache. Zugleich machten die Richter aber deutlich: Zusammenkünfte stehen auch dann unter dem besonderen Schutz der Versammlungsfreiheit, "wenn sie ihre kommunikativen Zwecke unter Einsatz von Musik und Tanz verwirklichen" - vorausgesetzt, die Botschaft steht im Vordergrund und nicht die Feier.

Genau davon darf man bei nicht wenigen Musikveranstaltungen der rechtsextremen Szene ausgehen. Das wird deutlich etwa aus einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs (VGH) Mannheim aus dem Jahr 2010 zu einem Skinhead-Konzert. Ein Beschluss übrigens, den das Thüringer Oberverwaltungsgericht - als es vergangene Woche ein Verbot des Rechtsrockkonzerts ablehnte - der Versammlungsbehörde zur Lektüre empfohlen hat. Ausführlich begründete der baden-württembergische VGH damals, warum gerade im rechtsextremen Lager "mit der Musik zugleich eine politische Botschaft vermittelt wird". Musik sei das wichtigste Propagandamedium der Skinheadszene, ein Instrument der ideologischen Festigung - diese Lesart ist durch diverse Verfassungsschutzberichte untermauert.

Lieder gegen szenetypische Feindbilder

Der VGH schrieb zudem, Konzertbesucher würden politisch indoktriniert, die Musik sei sozusagen das Parteiprogramm der Szene: "So richten sich nicht wenige dieser Lieder gegen szenetypische Feindbilder wie Ausländer, Juden, Israel, die USA, Homosexuelle, Linke, Punker, gegen die Presse sowie staatliche Institutionen und Repräsentanten der Bundesrepublik Deutschland." Selten hat man deutlicher vor Augen geführt bekommen, dass das Grundgesetz auch abseitige und widerwärtige Meinungen schützt.

Letztlich kommt es am Ende immer auf den Einzelfall an. Wenn eine angeblich politische Botschaft nur ein durchsichtiger Vorwand für ein bizarres Extremistenfest ist, dann können sich Veranstalter schon jetzt nicht auf das Versammlungsrecht berufen. Hinzu kommt: Auch politische Demonstrationen sind ja nicht sakrosankt; im Endergebnis hat der VGH die Auflösung des baden-württembergischen Skinheadkonzerts doch gebilligt - weil konkrete Gefahren für Leben und Gesundheit der Teilnehmer bestanden. Auch können Kundgebungen verboten werden, bei denen es zu Straftaten kommt - etwa Volksverhetzung.

Auch das Konzert in Themar könnte Gerichte noch beschäftigen. Bei der Veranstaltung wurden 46 Strafanzeigen aufgenommen, unter anderem wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Die Polizei prüft nun zudem das Videomaterial mit den erhobenen Armen, sagte ein Sprecher der Landespolizeidirektion Thüringen.

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