Die Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, Bayern und Rheinland-Pfalz, Winfried Kretschmann, Horst Seehofer und Kurt Beck, haben das Nein der FDP zu einer Auffanggesellschaft für Tausende Schlecker-Angestellte heftig kritisiert.
Seehofer sagte am Donnerstagabend im Bayerischen Fernsehen: "Das gehört eigentlich zu uns Bayern, dass wir die Menschen nicht alleinlassen, sondern uns um ihr Schicksal kümmern. Das wäre in diesem Fall verantwortbar möglich gewesen." Aber leider habe der bayerische Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) nicht zugestimmt.
"Man kann doch diesen Frauen nicht einfach die kalte Schulter zeigen", sagte Grünen-Politiker Kretschmann am Freitag in der ARD. Die "ordnungspolitischen Dogmatiker" der FDP seien Schuld daran, dass den Frauen nun die Arbeitslosigkeit drohe. Es bleibe abzuwarten, wie die Wähler mit den Liberalen umgingen, sagte er.
Zeil stimmte wie die FDP-Minister aus Niedersachsen und Sachsen gegen eine gemeinsame Bürgschaft der Bundesländer, die einen Kredit der staatlich getragenen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) absichern sollte.
Bayerns DGB-Chef Matthias Jena bezeichnete den Kurs der Staatsregierung als "Armutszeugnis" für die schwarz-gelbe Koalition. Es sei nicht nachvollziehbar, warum Seehofer seinem Wirtschaftsminister Zeil "nicht sagt, wo es langgeht", sagte Jena.
Auch der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck zeigte sich empört darüber: Das Veto der FDP sei "ein Skandal gegenüber den Menschen", sagte der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) im SWR. "Ich war selten auf Politik so wütend", erklärte er.
Schon am Donnerstagabend hatte er die Liberalen im ZDF angegriffen: In der Sache Schlecker sei es nicht um bares Geld, sondern um eine Bürgschaft gegangen. Eine Auffanggesellschaft hätte nicht nur den jetzt von Kündigung betroffenen Frauen Chancen eröffnet, sondern durch das Ausbleiben von Kündigungsschutzklagen und Abfindungsforderungen auch dem Insolvenzverwalter genutzt. Die FDP habe sich bei der Entscheidung über die Bürgschaft "so danebenbenommen", dass er sich für sie schäme, sagte Beck.
"Schlecker-Mitarbeitern Sicherheit vorzugaukeln, ist falsch"
Der Parlamentarische Geschäftsführer der Bundestagsfraktion der Liberalen, Otto Fricke, verteidigte dagegen die von den Ministern seiner Partei getroffene Entscheidung. Den betroffenen Schlecker-Mitarbeitern mit Steuergeld eine Sicherheit vorzugaukeln, die nicht existiere, sei falsch. Das Modell Schlecker habe nicht funktioniert. "Also muss ein solches Unternehmen vom Markt", sagte Fricke.
Fricke hatte die Politik in der Neuen Osnabrücker Zeitung zuvor aufgerufen, bei Arbeitgebern Werbung für die Schlecker-Mitarbeiter zu machen. "Jedem Arbeitgeber muss klar sein, wie qualifiziert die Mitarbeiter von Schlecker sind und wie hart sie gearbeitet haben", sagte er. Die Arbeitgeber, die derzeit im Einzelhandel 25.000 offene Stellen meldeten, hätten jetzt die Möglichkeit, schnell an qualifiziertes Personal zu gelangen. FDP-Vize Birgit Homburger machte Baden-Württembergs Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD) für das Scheitern der Schlecker-Bürgschaft verantwortlich. "Schmid hat durch sein dilettantisches Management die Transfergesellschaft in den Sand gesetzt", sagte sie. Die FDP trage keine Verantwortung.
Auch Martin Zeil hat seine Entscheidung noch einmal bekräftigt. "Es ist so, dass man den Steuerzahler nicht in Haftung nehmen kann für jahrelange Fehlentscheidungen im Management und Fehlentwicklungen im Unternehmen", sagte Zeil im ARD-Morgenmagazin. Kritik aus den Reihen des Koalitionspartners CSU wies er zurück. Der Kabinettsbeschluss sei einhellig gewesen. "Ich wundere mich, dass manche in der öffentlichen Debatte sich jetzt davonmachen wollen", sagte Zeil.
10.000 Beschäftigte erhalten heute ihre Kündigung
Etwa 10.000 Schlecker-Beschäftigte erwarten am heutigen Freitag ihre Kündigungsschreiben. Nach Angaben von Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz wurden am Donnerstag die Briefe verschickt. Weitere 1000 Mitarbeiter hätten bereits gekündigt, sagte sein Sprecher. Einem Sprecher der Deutschen Post war keine Sonderlösung zur Verteilung der Schreiben bekannt. Große Unternehmen wie Schlecker hätten in der Regel fest vereinbarte Termine, zu denen die Post abgeholt werde. Diese werde in 95 von 100 Fällen am nächsten Tag zugestellt.