Süddeutsche Zeitung

Nebeneinnahmen des SPD-Kanzlerkandidaten:Es braucht keine Steinbrück-Klausel

41 Kunden, 7000 Euro pro Auftritt: SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück hat in den vergangenen drei Jahren nicht nur im Bundestag gesprochen. Ohne jede Ironie: schön für ihn. Es gibt nicht die geringsten Indizien für einen Interessenkonflikt.

Detlef Esslinger

Peer Steinbrück hat in den vergangenen drei Jahren nicht nur im Bundestag gesprochen, sondern - unter anderem - auch bei der Dortmunder Volksbank, beim Arbeitgeberverband Chemie, der Crédit Agricole sowie einer Firma namens "bbg Betriebsberatungs GmbH". Weiter hat er fünf Vorträge auf Vermittlung einer "Celebrity Speakers Ltd." sowie acht im Auftrag des "London Speaker Bureau" gehalten. Insgesamt umfasst die Liste seiner Kunden 41 Namen, in den meisten Fällen hat er jeweils mehr als 7000 Euro pro Auftritt genommen. Ohne jede Ironie: schön für ihn.

Weil Steinbrück gerade von der SPD auf den Thron gehoben wurde, haben jetzt auch all diejenigen ihren Dienst aufgenommen, die unter Beinfreiheit verstehen, anderen ans Bein zu pinkeln. In diesem Fall gehören dazu etliche Medien, die von "Riesenwirbel" und "Dauerkritik" schwadronieren, ein bayerischer Ministerpräsident, der Doppelzüngigkeit insinuiert und ein Fraktionsvize der Linken, der eine "Steinbrück-Klausel" fürs Abgeordnetengesetz verlangt. Pinkeln aus Prinzip, so läuft das in Politik und Publizistik leider oft.

Es war falsch, dass Steinbrück vor Jahren unter Finanzminister-Briefkopf die Staatsfirmen Post und Telekom dazu drängen wollte, seine geliebte Schach-WM zu sponsern. Es ist aber überhaupt nichts falsch daran, wenn ein Ex-Finanzminister Angebote zu Vorträgen annimmt. Er hat darin seine Sicht der Finanz- und Wirtschaftskrise dargelegt.

Er ist schon deshalb kaum zu korrumpieren, weil er seit Jahren Abgeordneter der Opposition ist. Steinbrück hat eine Leistung erbracht und einen Wert geschaffen, der zum Beispiel darin bestand, dass eine Volksbank zu einem Abend einladen konnte, um etwas für die Kundenbindung zu tun.

Dafür darf er gerne Geld nehmen. Es gibt nicht die geringsten Indizien für einen Interessenkonflikt. Die gäbe es bei einem Kanzlerkandidaten - weshalb Steinbrück nach seiner Ausrufung sogleich erklärt hat, seine Vorträge (sowie den Sitz im Aufsichtsrat von Thyssen-Krupp) aufzugeben.

Horst Seehofer hat gesagt, wer Transparenz von den Banken einfordere, dürfe sich nicht wundern, wenn sie auch von ihm persönlich eingefordert werde. Der Vorhalt ist ungefähr so dringend, als forderte man Seehofer auf, doch endlich in die CSU einzutreten. Steinbrück muss der Forderung nicht nachkommen, weil er sie längst und ohne besondere Aufforderung erfüllt hat. Wen's im Einzelnen interessiert: Er hat all seine Kunden und Einnahmen so auf der Website des Bundestags aufgelistet, wie es das Gesetz verlangt.

Eine "Steinbrück-Klausel" braucht es so wenig wie eine Recherche, auf welche Weise Oskar Lafontaine einst seinen Prachtbau auf dem saarländischen Berg finanziert hat. Und wer nun als Journalist einen "Riesenwirbel" herbeischreiben will, sollte zunächst sichergehen, dass er noch nie von einem Industrieverband als Moderator für eine Podiumsdiskussion gemietet wurde. Interessenkonflikte? Die sind nicht nur bei Politikern denkbar.

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SZ vom 04.10.2012/rela
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