Süddeutsche Zeitung

Nebeneinkünfte von Politikern:Honorige Leute

Der CDU-Abgeordnete Michael Fuchs hält bezahlte Vorträge bei einer von Ex-Geheimdienstmitarbeitern gegründeten Firma in London. Der stellvertretende Chef der Unionsfraktion sieht darin nichts Verwerfliches - und will weitermachen.

Von Robert Roßmann, Berlin

John le Carré hätte an diesem Plot vermutlich seine wahre Freude: Spitzenpolitiker der deutschen Regierungspartei erhält Geld von dubioser Firma, die Ex-Mitarbeiter des britischen Auslandsgeheimdienstes MI6 gegründet haben. Die Zahlungen werden durch falsche Angaben verschleiert. Ein kleiner unabhängiger Blog kommt dem Politiker trotzdem auf die Schliche - der schickt seine Anwälte los. Ausgang offen.

Doch bei dieser Geschichte soll es sich nicht um den Plot für einen Roman, sondern um das wahre Leben des Michael Fuchs handeln. Seit zwei Wochen muss sich der Christdemokrat im Netz einer gewaltigen Welle an Kritik erwehren. Allein bei Twitter finden sich Hunderte Tweets zu der Causa. In der Nacht zum Donnerstag berichtete auch der NDR über den Fall. Was ist da passiert?

Die Experten von Abgeordnetenwatch.de hatten die offiziellen Nebentätigkeiten-Listen der Bundestagsabgeordneten nach Auffälligkeiten durchforstet. Bei Fuchs wurden sie fündig. Laut Bundestagshandbuch soll er allein in dieser Legislaturperiode elf gut bezahlte Vorträge bei der "Hakluyt Society, London" gehalten haben. Doch bei der ehrwürdigen Geografen-Gesellschaft, die alte Reisebeschreibungen herausgibt, war Fuchs auf Nachfrage gar nicht bekannt.

Die Aufregung ist groß, denn Fuchs ist kein Hinterbänkler

Abgeordnetenwatch ermittelte den wahren Auftraggeber: Hakluyt & Company - eine von ehemaligen MI6-Mitarbeitern gegründete Firma, deren Ziel neben Networking unter anderem die manchmal zwielichtige Informationsbeschaffung für Unternehmen ist. So soll die Firma in den neunziger Jahren im Auftrag von Shell mit einem deutschen Spitzel Greenpeace ausspioniert haben, um über Aktionen der Umweltorganisation gegen den Ölkonzern informiert zu sein.

Abgeordnetenwatch veröffentliche das Ergebnis seiner Recherche. Der Stern - mit dem der Blog kooperierte - druckte gleichzeitig eine Geschichte mit dem Titel: "Sein Name ist Fuchs, Michael Fuchs".

Seitdem ist die Aufregung groß. Schließlich ist Fuchs kein Hinterbänkler. Der Mann war Präsident des Bundesverbandes des Deutschen Groß- und Außenhandels, seit 2002 sitzt er für die CDU im Bundestag. In der Unionsfraktion war er jahrelang Vorsitzender der mit Abstand größten Gruppe, des Parlamentskreises Mittelstand. Und seit 2009 ist er sogar stellvertretender Fraktionschef.

Er sieht sich als Opfer von Unterstellungen

Fuchs wehrte sich denn auch umgehend. Seine Rechtsanwälte verlangten eine Gegendarstellung und eine Unterlassungserklärung von Abgeordnetenwatch. Auch der Blog netzpolitik.org, der ebenfalls über den Fall berichtet hatte, erhielt Post von Fuchs' Anwälten. Abgeordnetenwatch wertet das als Versuch des CDU-Abgeordneten, "die kritische Berichterstattung über seine dubiosen Nebentätigkeiten für die Firma Hakluyt & Co zu behindern". Und netzpolitik.org wirft Fuchs vor, "mit Kanonen" auf den kleinen Blog zu schießen, um andere mögliche Autoren abzuschrecken.

Fuchs selbst sieht das naturgemäß anders. "Ich habe keine Lust, mich verunglimpfen zu lassen - deshalb musste ich rechtlich dagegen vorgehen", sagt er der Süddeutschen Zeitung. Bis jetzt habe er Abgeordnetenwatch "sehr geschätzt". "Ich war sogar einmal die Nummer eins beim Beantworten der Fragen auf ihrer Website", sagt Fuchs. "Aber jetzt haben sie versucht, mir etwas Dubioses anzuhängen. Mir zu unterstellen, ich hätte meine Vorträge bei Hakluyt verschleiern wollen, finde ich saublöd."

Fuchs hat damit wahrscheinlich sogar recht. Der Bundestag hat inzwischen alle Vortragsmeldungen von Fuchs überprüft - mit einem überraschenden Ergebnis: Offenbar hat Fuchs nie eine explizit falsche Angabe gemacht, trotzdem wurde im Bundestagshandbuch die falsche Firma ausgewiesen.

Glaubt man der Darstellung des Bundestags, hat Fuchs bei der Meldung seines ersten Vortrags in der letzten Legislaturperiode "Hakluyt, London" angegeben - das wäre nur unvollständig, aber nicht falsch. Warum der Bundestag dann in seinem Handbuch fälschlicherweise die Geografen-Gesellschaft "Hakluyt Society, London" ausgewiesen hat, lasse sich "auch nach Aktenauswertung und Befragung der mit der Angelegenheit befassten Mitarbeiter nicht aufklären", schreibt Ministerialdirigent Frank Sobolewski vom Bundestag.

In der laufenden Legislaturperiode hat Fuchs dann bei seiner ersten Vortragsmeldung sogar den exakten Namen "Hakluyt&Co, London" angegeben. In seinen weiteren Meldungen stand dann wieder "Hakluyt". Trotzdem veröffentlichte die Bundestagsverwaltung weiter den falschen Namen "Hakluyt Society". Der Ministerialdirigent muss deshalb eingestehen, dass sich nicht ausschließen lasse, dass der Fehler "auf ein Versehen in der Bearbeitung durch die Bundestagsverwaltung zurückzuführen ist".

Abendessen mit Vorständen großer Unternehmen

Vor einer Woche korrigierte der Bundestag die Angaben auf seinen Internetseiten. Aber warum ist Fuchs nicht aufgefallen, dass auf den Seiten jahrelang die falsche Firma stand? "Das ist der einzige Vorwurf, den ich akzeptiere", sagt er jetzt. "Ich hatte das nicht gemacht, weil ich nicht das Gefühl hatte, dass ich die Bundestagsverwaltung kontrollieren müsse."

Bleibt der Vorwurf gegen Christdemokraten, Geld von einer dubiosen Firma zu nehmen. Aber auch der ficht den Abgeordneten nicht an. "Alle Leute, mit denen ich da zu tun habe, sind honorigst", sagt er. Zu den Abendessen, bei denen die Reden gehalten würden, seien Vorstände großer Unternehmen eingeladen. Das seien "reine Informationsgespräche, bei denen sich Firmen etwa für die Situation in Deutschland oder den Euro interessieren".

Außerdem sei er beileibe nicht der einzige Politiker, der da auftrete. So sei er einmal eingeladen gewesen, "zusammen mit Mario Monti eine Rede zu halten". Im Beirat der Firma säßen Ex-Nato-Generalsekretär Javier Solana und Ex-BDI-Chef Hans-Peter Keitel.

Und überhaupt: "Von der über zehn Jahre zurückliegenden Greenpeace-Überwachung und der Gründung durch ehemalige MI6-Mitarbeiter habe ich erst durch die jetzige Debatte erfahren", sagt Fuchs. Er habe sich deshalb "nichts vorzuwerfen" und werde "natürlich weiter Vorträge bei Hakluyt halten". Na dann.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1582670
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
Süddeutsche.de/kjan
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.