Süddeutsche Zeitung

Nebeneinkünfte von Abgeordneten:Laxe Regeln, noch laxere Kontrollen

Was sind die Nebentätigkeitslisten des Bundestags wert, wenn darin eine dubiose, von Ex-Geheimdienstmitarbeitern gegründete Firma mit einer biederen Geografengesellschaft verwechselt wird? Das Beispiel des CDU-Politikers Fuchs zeigt, wie sträflich lax die derzeitigen Regeln sind - und dass nicht mal diese eingehalten werden.

Ein Kommentar von Robert Roßmann, Berlin

Der Fall kann einem den letzten Glauben an die Transparenz des deutschen Parlaments und seiner Abgeordneten nehmen. Fast fünf Jahre lang stand auf der offiziellen Bundestagsseite für den Christdemokraten Michael Fuchs eine falsche Firma als Auftraggeber für dessen gut bezahlte Vorträge.

Laut der Liste soll Fuchs von der "Hakluyt Society" Geld bekommen haben - einer ehrwürdigen Londoner Geografengesellschaft. Erst die Recherchen des kleinen Blogs abgeordnetenwatch.de offenbarten jetzt: Der wahre Geldgeber für die Vorträge war die dubiose "Hakluyt & Company" - eine von ehemaligen Mitarbeitern des britischen Auslandsgeheimdienstes MI6 gegründete Firma. Sie soll unter anderem im Auftrag von Shell Greenpeace ausgeforscht haben. Was sind Nebentätigkeitslisten des Bundestags noch wert, wenn darin eine solche Firma mit einer biederen Geografengesellschaft verwechselt wird? Und vor allem: Wie kann es sein, dass die Verwaltung den Fehler all die Jahre nicht bemerkt hat?

Die Organisation LobbyControl fordert die Bundestagsverwaltung schon seit Langem auf, ihre nachgiebige Haltung bei lückenhaften oder fehlerhaften Angaben von Abgeordneten zu beenden. Passiert ist bis heute aber offenbar nichts. Die Verwaltung akzeptiert noch immer ungenau ausgefüllte Zettel als Nebentätigkeitsmeldungen. Und kontrolliert werden die Angaben praktisch nicht.

Dabei sind die geltenden Regeln eh schon sträflich lax. Bisher müssen Parlamentarier den Lohn für ihre Nebentätigkeiten nicht auf Euro und Cent angeben, sondern lediglich in drei Stufen: Ab 1000 Euro, bis 3500 Euro und mehr als 7000 Euro. Bürger können deshalb nicht erkennen, ob ein Abgeordneter 7001 oder 70 000 Euro bekommen hat - im Bundestagshandbuch wird beides nur mit "entgeltliche Tätigkeit der Stufe 3" ausgewiesen.

Auch die wahre Tätigkeit wird aus diesen offiziellen Listen oft gar nicht ersichtlich. So stehen auf der Bundestagsseite von Peer Steinbrück als Auftraggeber für seine Vorträge Firmen wie "Celebrity Speakers" oder "The London Speaker Bureau". Wo die über diese Agenturen gebuchten Vorträge dann tatsächlich gehalten wurden, ist nicht erkennbar. Ohne den öffentlichen Druck nach Steinbrücks Nominierung wäre zum Beispiel sein umstrittener 25 000-Euro-Auftritt bei den Bochumer Stadtwerken nie publik geworden.

Umso erschütternder ist jetzt der Fall Fuchs. Selbst auf die windigen bestehenden Regeln scheint man sich nicht mehr verlassen zu können. Michael Fuchs ist ja nicht irgendwer. Der Mann ist stellvertretender Vorsitzender der Unionsfraktion. Auf den einschlägigen Listen der Top-Verdiener unter den Bundestagsabgeordneten rangiert er auf Platz zehn. Allein in dieser Legislaturperiode soll er schon mehr als 150 000 Euro dazuverdient haben. Und vor allem: Es gab bereits im Jahr 2009 Ärger um eine ungenaue Meldung von Fuchs. Wäre das nicht Anlass genug gewesen, wenigstens bei ihm genauer hinzuschauen?

Stattdessen ist die Bundestagsverwaltung jetzt noch nicht einmal in der Lage herauszufinden, wo der Fehler im Fall Fuchs lag. Auch "nach Aktenauswertung und Befragung der mit der Angelegenheit befassten Mitarbeiter" habe man das nicht klären können, sagt die Verwaltung. Ein Offenbarungseid. Vermutlich haben die Beamten die falsche Angabe sogar selbst ins Handbuch geschludert. Fuchs hatte bei seinen ersten Meldungen nur "Hakluyt London" angegeben. Die Mitarbeiter der Bundestagsverwaltung schrieben aber die unverfängliche Geografengesellschaft "Hakluyt Society" auf die Seite. Ein peinlicher Fehler.

Und so ist es nicht dem Bundestag oder den Transparenzregeln, sondern einem Blog zu verdanken, dass sich Fuchs nun endlich für seine Tätigkeit rechtfertigen muss. Mit fünf Jahren Verspätung.

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Quelle:
SZ vom 26.01.2013/sst
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