Nebeneinkünfte des Kanzlerkandidaten:Steinbrück besteht die Millionärsprüfung

Banken, Investmentgesellschaften und "Küchen-Kompetenz-Tage": SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück hat mit Reden so viel Geld verdient, dass ein Profi ranmusste, um sie zu prüfen. Den Bericht stellt Steinbrück bei einer kurzen Transparenz-Show vor - und präsentiert sich als "ehrbarer Kaufmann".

Jannis Brühl, Berlin

Die Geschichte eines Millionärs ist erst dann eine gute, wenn sie auch das Kapitel "Tellerwäscher" enthält. Peer Steinbrück, der begabte Redner, weiß das: "Ich kenne Zeiten, in denen ich selbst nur tausend Euro verdient habe, und ich war auch arbeitslos."

Weil er so gut mit Worten umgehen kann und weiß, wie man diese Worte zu Geld macht, steht der SPD-Kanzlerkandidat an diesem Dienstagvormittag auf dem Podium im Willy-Brandt-Haus. Dort muss er erklären, warum er in den vergangenen drei Jahren 1,25 Millionen Euro mit Vorträgen eingenommen hat, die er neben seiner Tätigkeit als Bundestagsabgeordneter gehalten hat.

Neben Steinbrück steht die Statue des Altkanzlers Brandt, das soll den Genossen moralische Autorität verleihen. Dabei hat Steinbrück das nach eigenem Ermessen gar nicht nötig. Er ist nicht hier, weil er etwas falsch gemacht hätte, sondern weil er ein Vorbild in Sachen Transparenz sein will.

Zu dieser Transparenz-Show hier in Berlin-Kreuzberg kommt es, weil ihn die Partei zu Angela Merkels Gegner für die Wahl im kommenden Jahr auserkoren hat. Nachdem die SPD ihn zum Kanzlerkandidaten nominierte, wuchs das öffentliche Interesse an den Nebentätigkeiten des Abgeordneten Steinbrück. Anfang des Monats beauftragte der deshalb einen Wirtschaftsprüfer, um seine Einkünfte aufzuschlüsseln und zu prüfen. Weil Steinbrück so viel Geld mit Reden verdient hatte, musste ein Profi ran.

Auftritte bei Finanzinstitutionen? Folgerichtig.

"Ergebnisse zur Ordnungsmäßigkeit der Offenlegung der Vortragstätigkeiten von Herrn Peer Steinbrück" steht auf dem Papier, das auch auf Steinbrücks Homepage aufrufbar ist. Darin ist aufgelistet, dass der 65-Jährige frühere Finanzminister für seine 89 Vorträge im Schnitt 14.000 Euro erhielt. Bei einem Steuersatz von 48 Prozent seien ihm davon netto etwa 7300 Euro geblieben, sagt Steinbrück.

Die Journalisten vor dem Podium scherzen, Steinbrücks Einkünfte würden nicht bei den einfachen Bürgern eine Neiddebatte auslösen, sondern bei CDU und FDP. Hinterm Rednerpult sagt der Kandidat, den Großteil der Honorare habe er erhalten, als weder er noch seine Partei "wissen konnten, dass ich politisch wieder in den Ring steigen würde".

Steinbrück scheint nicht besonders wählerisch gewesen zu sein, wenn es um seine Gastgeber ging: Er sprach für Sparkassen, vor einem Apothekerforum, auf einer Messe für Reifenhersteller und bei den "Küchen-Kompetenz-Tagen" einer Möbelfirma. Vor allem aber ließ er sich von Finanzfirmen engagieren - von JP Morgan, Société Générale, der DWS-Investmentgesellschaft, die der Deutschen Bank gehört.

Zwei peinliche Versäumnisse

Der frühere Finanzminister sucht wie schon in den vergangenen Wochen bei seiner Verteidigung die Offensive: "Ich habe mich zur Offenlegung entschieden, um deutlich zu machen, dass ich mich weder in eine Abhängigkeit begeben habe, noch eine Abhängigkeit bedient habe." Die Auftritte bei Finanzinstitutionen? Nur folgerichtig.

Er - der nun in vielen Punkten mit dem Gegenteil seiner Liberalisierungspolitik aus Zeiten der großen Koalition Wahlkampf macht - sei im Auftrag des Guten unterwegs gewesen: "Ich habe diese Vorträge vor allem genutzt, um diesen Institutionen die Leviten zu lesen." Als Beleg dient das Bankenpapier, in dem er vor einem Monat schärfere Regeln für Finanzinstitutionen forderte.

Der Prüfer habe "zwei Versäumnisse" festgestellt, gesteht Steinbrück dann. Er selbst habe dem Bundestag Reden bei der Unternehmensberatung Kerckhoff und der Südwestbank nicht gemeldet. Aber halb so wild, der Kanzlerkandidatergänzt: ""Beide sind unverdächtig, beide bezogen sich insbesondere auf das Thema Finanzmarktregulierung." Warum hat er die Vorträge dann nicht gemeldet? "Eine Nachlässigkeit von mir. Ich habe es einfach verschwitzt." Mittlerweile habe er beide Reden angegeben.

Auch nach dem Auftritt bleiben Fragen

Der SPD-Mann präsentiert sich als einer, der nicht nur tut, was vorgeschrieben ist, sondern notfalls auch mehr, und betont mehrfach: "Ich gehe damit weit über die bisherigen Transparenzregeln hinaus." Bisher mussten Abgeordnete Nebeneinkünfte nur in drei "Stufen" anmelden, also keine genauen Beträge.

Unter dem Druck der Öffentlichkeit hat die Koalition vergangene Woche die Vorgaben geändert: Nebeneinkünfte sollen nun in zehn Stufen veröffentlicht werden - von 1000 bis 250.000 Euro. Der Opposition fordert aber, dass jeder Abgeordnete auf den Cent genau die Einkünfte offenlegen müsse - so wie Steinbrück es an diesem Dienstag getan hat.

So hat Merkels Herausforderer es leicht, die schwarz-gelbe Koalition anzugreifen: Deren Abgeordnete hätten versucht, seine Einkünfte "ins Zwielicht zu rücken", widersetzten sich aber selbst echten Transparenzregeln. Tatsächlich würden bei einer Offenlegung viele Abgeordnete der Koalition als kleine Steinbrücks dastehen: Nach der kürzlich veröffentlichten, noch auf dem dreistufigen System basierenden - Liste der bestverdienenden Parlamentarier stehen neben dem SPD-Kanzlerkandidaten neun Schwarz-Gelbe in den Top 10.

Deshalb hat die Koalition ihre Argumentation neu justiert: Nicht die Höhe der Einkünfte Steinbrücks sei das Problem - sondern, dass die Reden so viel seiner Zeit in Anspruch nehmen. Ganz nach dem Motto, das der FDP-Abgeordnete Patrick Kurth twitterte: Die Nebenverdienste seien nun Haupteinkünfte, die Nebentätigkeit der eigentliche Haupterwerb.

Steinbrück als "ehrbarer Kaufmann"

Auch Abgeordnetenwatch-Mitgründer Gregor Hackmack erklärte in einem Interview: "Wer 89 hoch bezahlte Reden hält und in der gleichen Zeit nur fünf Reden im Bundestag, hat sein Abgeordnetenmandat vernachlässigt." Steinbrück sagt, er habe in diese Legislaturperiode sieben Mal bei namentlichen Abstimmungen im Bundestag wegen Reden gefehlt.

Der SPD-Kanzlerkandidat, so viel macht sein Auftritt klar, will an diesem Vormittag als "ehrbarer Kaufmann" erscheinen - das ultimative Ideal für einen norddeutschen Finanzmenschen. Das "Gen des ehrbaren Kaufmanns" hatte ihm FDP-Generalsekretär Patrick Döring vor kurzem abgesprochen - das dürfte Steinbrück getroffen haben.

Bei der nicht einmal halbstündigen Pressekonferenz werden einige Themen nur angerissen, die durchaus eine größere Debatte verdient hätten. Da wären die Politikerposten in Unternehmensgremien. 2011 habe er eine Bundestagssitzung verpasst, wegen "einer wichtigen Aufsichtsratssitzung bei Thyssen-Krupp", sagt Steinbrück.

Was er für seine Tätigkeit genau bekommen hat, ist nicht bekannt - weil er das Gehalt nach dem derzeit für Abgeordnete gültigen Drei-Stufen-Prinzip deklariert, ist nur klar, dass es "über 7000 Euro" sind. Auch die Frage der Machtverflechtung bleibt unbeantwortet. Am Monatsanfang, nach seiner Nominierung, hat er angekündigt, die Position bei dem Industriekonzern aufzugeben. Beim Fußballklub Borussia Dortmund will er dagegen im Aufsichtsrat bleiben.

Kritik an Journalisten

Die Journalisten, die gekommen sind, erinnert er an das ungeklärte Verhältnis, das einige in ihrer Branche zu ihren Nebeneinkünften haben: Bei vielen Veranstaltungen auf denen er gesprochen habe, seien Journalisten als Moderatoren aufgetreten - und das ja sicher auch gegen Bezahlung.

Dann wäre da noch die Frage, warum Steinbrück die Honorare nicht offenlegt, die er für seine beiden Bücher Unterm Strich und Zug um Zug erhalten habe? "Mit diesen kann der Verdacht nicht verbunden sein, dass ich mich damit in eine Abhängigkeit begebe." Außerdem könne er seine "Ko-Autoren" nicht zwingen, ihre Einkünfte zu publizieren.

Meint er damit Altkanzler Helmut Schmidt, mit dem er "Zug um Zug" verfasst hat? Andere Ko-Autoren sind für beide Bücher nicht angegeben.

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