Zeitgeschichte:Die Nazis aus Argentinien

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Die spanische Übersetzung von Hitlers "Mein Kampf", feilgeboten an einem Kiosk in Buenos Aires im Jahre 2005. (Foto: Jürgen Ramspeck/dpa)
  • In Argentinien ist eine verlorene Liste zu den Verbindungen zwischen Argentinien und Hitlerdeutschland aufgetaucht.
  • Darauf stehen die Namen von 12 000 Personen und Firmen, die in den 1930er und 1940er Jahren von Argentinien aus mit dem Naziregime in Deutschland sympathisiert haben.
  • Manche von ihnen sollen daran beteiligt gewesen sein, geraubtes jüdisches Vermögen über lateinamerikanische Firmen zu waschen.

Von Christoph Gurk und Jorgos Brouzos, Buenos Aires

Mitten im hektischen Zentrum von Buenos Aires verläuft die Calle 25 de Mayo, eine Prachtstraße mit hochherrschaftlichen Stadtpalästen. Sie zeugen von einer Zeit, als Argentinien noch eines der reichsten Länder der Welt war. Ausgerechnet hier lag über Jahrzehnte ein verborgener Beleg für ein anderes, viel dunkleres Kapitel der argentinischen Vergangenheit.

In einem Lager fand der argentinische Forscher Pedro Filipuzzi eine Kopie einer eigentlich zerstört geglaubten Liste. Sie enthält rund 12 000 Namen von Personen und Firmen, die in den 1930er und 1940er Jahren von Argentinien aus mit dem Naziregime in Deutschland sympathisiert haben. In einigen Fällen haben die Genannten vermutlich auch dabei geholfen, Geld aus geraubten jüdischen Vermögen über lateinamerikanische Firmen zu waschen.

Dieses sei dann wiederum an Konten bei der Schweizerischen Kreditanstalt überwiesen worden, so die Einschätzung des Simon Wiesenthal Centers. Die jüdische Nichtregierungsorganisation hat die Liste von ihrem Finder Pedro Filipuzzi übergeben bekommen und den Fund am Montag bekannt gegeben.

Berichte der Kommission wurden vernichtet - bis auf eine Kopie, die über Jahrzehnte verborgen lag

Aus gleich zwei Gründen ist er hochbrisant. Zum einen belegt die Liste abermals, wie groß die Zusammenarbeit zwischen Hitlerdeutschland und Argentinien war. 1930 putschte sich in dem südamerikanischen Land der rechts-konservative General José Félix Uriburu an die Macht.

Uriburu hatte einen Teil seiner Ausbildung im deutschen Kaiserreich absolviert, er war ein glühender Verehrer des deutschen Militärs und trug den Beinamen "Von Pepe" in Anspielung auf den deutschen Adelstitel. Im Einwandererland Argentinien gab es schon damals eine starke deutschstämmige Gemeinschaft, dazu kamen noch Tausende Deutsche, die an den Rio de la Plata entsandt worden waren und für Firmen aus dem Reich arbeiteten.

Kurz nach Uriburus Machtergreifung gründete sich in Buenos Aires das erste Büro der Auslandsorganisation der NSDAP, wenige Jahre später hatte sie schon 1400 Mitglieder. Tausende waren dazu Mitglied in weiteren nazifreundlichen Organisationen, manche von ihnen straff organisiert. Im Jahr 1938 feierten in Buenos Aires Anhänger den Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich in einem mit Hakenkreuzen geschmückten Boxstadion.

Im gleichen Jahr kam Roberto Marcelino Ortiz in Argentinien an die Macht, auch er war ein Konservativer. Ortiz aber waren die Umtriebe der Nationalsozialisten in seinem Land suspekt. Um ihnen nachzugehen, schuf er eine eigene Sonderkommission. Sie ließ Büros deutscher Auslandsorganisationen durchsuchen und stieß dabei auch auf eine Liste mit den Namen von Sympathisanten des Hitler-Regimes in Argentinien.

In der Folgezeit wurde ein Untersuchungsbericht erarbeitet. Er belegte auch Zahlungen von auf der Liste genannten Personen, die von Argentinien aus auf eines oder mehrere Konten in der Schweiz gingen. Weiter verfolgt wurden diese Erkenntnisse aber nicht. 1943 übernahmen abermals dem Nationalsozialismus freundlich gestimmte Militärs die Macht in Argentinien. Die Sonderkommission wurde aufgelöst und ihre Berichte restlos vernichtet - bis eben auf jene Kopie, die über Jahrzehnte in einem Lager in der Calle 25 de Mayo verborgen lag.

Das Simon Wiesenthal Center hofft nun, anhand der Liste den Ursprung der Vermögen aufklären zu können, die auf gesperrten Konten in der Schweiz liegen - und so späte Gerechtigkeit für beraubte Opfer des deutschen Nationalsozialismus zu erkämpfen. Die Konten gehörten einst zur Schweizerischen Kreditanstalt, die 1997 in der Credit Suisse aufging.

Dort verweist man auf den Schlussbericht der sogenannten Volcker-Kommission. Sie hat zwischen 1997 und 1999 rund 60 Schweizer Banken untersucht mit dem Ziel, Konten ausfindig zu machen, die Opfern der Nazi-Verfolgung gehört hatten. "Dennoch werden wir dieser Angelegenheit nochmals nachgehen", so eine Sprecherin der Großbank

© SZ vom 05.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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