Süddeutsche Zeitung

Russland:Geheimdienst soll hinter Giftanschlag auf Nawalny stecken

Lesezeit: 1 min

Mindestens acht russische Agenten sollen nach Recherchen mehrerer Medien den Giftanschlag auf den Kremlgegner verübt haben.

Von Theresa Crysmann

Der russische Inlandsgeheimdienst FSB ist vermutlich für den Giftanschlag auf den Regimekritiker Alexej Nawalny im August 2020 verantwortlich. Nach Recherchen mehrerer Medien sollen mindestens acht Agenten über Monate auf den Oppositionspolitiker angesetzt gewesen sein.

Das Nachrichtenmagazin Spiegel veröffentlichte am Montag gemeinsam mit dem US-Fernsehsender "CNN" und den Rechercheplattformen "Bellingcat" und "The Insider" die Namen und Positionen von acht mutmaßlichen Geheimdienstagenten. Auch Nawalny selbst verbreitete die Berichte samt Fotos der Personen.

Mithilfe der Analyse von Passagierlisten russischer Linienflüge sowie der Auswertung von GPS-Daten und Mobilfunkverbindungen zahlreicher FSB-Agenten konnte der Rechercheverbund acht Personen namentlich identifizieren, die mit hoher Wahrscheinlichkeit am Anschlag auf Nawalny mit dem Nervengift Nowitschok beteiligt gewesen sein sollen.

Darunter sind der militärische Wissenschaftler Stanislaw Makschakow, die Ärzte Oleg Tajakin, Alexej Alexandrow und Iwan Ossipow, der Sanitäter Wladimir Panjajew, Chemiker Konstantin Kudrjawzew, ein Geheimdienst-Mitarbeiter Namens Michail Schwez sowie Alexej Kriwoschekow, FSB-Angestellter und ehemaliger Mitarbeiter des russischen Verteidigungsministeriums.

Im August war der 44-jährige Nawalny auf einem russischen Inlandsflug zusammengebrochen und im sibirischen Omsk ins Krankenhaus eingeliefert worden. Wegen unzulänglicher Behandlung und der Behauptung der behandelnden Ärzte, Nawalny sei schlicht betrunken, organisierte dessen Familie eine Überführung nach Deutschland. Im Berliner Charité-Klinikum wurde er dann mehrere Wochen auf der Intensivstation behandelt. Im Zuge dessen wiesen Ärzte auch Spuren eines Nervengiftes aus der Nowitschok-Gruppe in seinem Blut nach. Seitdem Nawalny im September aus dem Krankenhaus entlassen wurde, erholt er sich in Deutschland.

Dass staatliche Stellen in Russland Nawalny gezielt angegriffen haben könnten, verwarf die Regierung in Moskau umgehend. Anfang Dezember erklärte Staatschef Wladimir Putin laut einer vom Kreml veröffentlichten Abschrift, es gebe weiterhin keinen Grund, in diesem Fall zu ermitteln.

Der Giftanschlag im Sommer war nicht der erste Angriff auf den bekanntesten russischen Oppositionspolitiker, der seit Jahren Korruptionsfälle in der Regierung und Missstände im Land aufdeckt. Immer wieder war Nawalny wegen fragwürdiger Vorwürfe in Haft genommen worden, im Jahr 2017 drohte er nach einem mutmaßlichen Säureangriff zu erblinden. Im Sommer erzielten seine Unterstützer bei den Regionalwahlen in Russland einige seltene Erfolge. Der Giftanschlag im August traf ihn bei einer Wahlkampfreise.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5147608
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/crys
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.