Ein russisches Gericht hat den Kremlgegner Alexej Nawalny nach seiner Rückkehr aus Deutschland in einem Eilverfahren zu 30 Tagen Haft verurteilt. Der 44-Jährige habe gegen Meldeauflagen nach einem früheren Strafprozess verstoßen, hieß es am Montag. Der Oppositionspolitiker kritisierte das Verfahren als politische Inszenierung mit dem Ziel, ihn zum Schweigen zu bringen.
Juristen hatten bereits Nawalnys schnelle Festnahme als beispiellos kritisiert - selbst für russische Verhältnisse. In einem Video bei Twitter beklagte Nawalny, dass die Justiz in Russland eine neue Stufe der "Gesetzlosigkeit" erreicht habe. "Ich habe oft gesehen, wie der Rechtsstaat ins Lächerliche gezogen wird, aber dieser Opi in seinem Bunker fürchtet sich inzwischen so sehr (...), dass nun einfach der Strafprozesskodex zerrissen und auf die Müllhalde geworfen wird", sagte Nawalny in dem improvisierten Gerichtszimmer. Mit "Opi in seinem Bunker" meint Nawalny den russischen Präsidenten Wladimir Putin. "Es ist unmöglich, was hier passiert." Es sei der "Gipfel der Gesetzlosigkeit".
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Nawalnys Anwälte hatten offenbar ein Schreiben über den Beginn einer Gerichtsverhandlung im Polizeigebäude erhalten, die dann eröffnet wurde, ohne dass jemand sich hätte vorbereiten können. Zuvor hatten Nawalnys Anwälte und Mitarbeiter erklärt, dass von dem Oppositionellen jede Spur fehle.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte am frühen Montagnachmittag die Verhaftung Nawalnys scharf verurteilt und seine sofortige Freilassung verlangt. "Die russischen Behörden haben das Opfer eines Mordanschlags mit C-Waffen verhaftet und nicht die Täter", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. "Die Bundesregierung ruft die russische Regierung daher nachdrücklich dazu auf, erstens Herrn Nawalny unverzüglich freizulassen; und zweitens die Umstände des Chemiewaffenangriffs auf russischem Boden vollumfänglich aufzuklären." Russland verfüge dazu über alles Notwendige.
Nawalny war im August in Russland Opfer eines Anschlags mit dem als Chemiewaffe verbotenen Nervengift Nowitschok geworden und anschließend in Deutschland behandelt worden. Am Sonntag kehrte er nach Russland zurück und wurde gleich nach seiner Landung festgenommen. Der 44-Jährige sei zur Fahndung ausgeschrieben gewesen, teilte der Strafvollzug zur Begründung mit.
Der Kremlkritiker soll während seines Aufenthalts in Deutschland, wo er sich von dem in Russland verübten Anschlag erholte, gegen Bewährungsauflagen in einem früheren Strafverfahren verstoßen haben. Die Behörden wollen die Bewährungsstrafe nachträglich in echte Haft umwandeln lassen, hieß es.
Steffen Seibert erinnerte daran, dass das Urteil, dessen Bewährungsauflagen die Grundlage für die Verhaftung sein sollen, vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte 2017 als willkürlich eingestuft worden sei. Russland sei damals zur Zahlung einer Entschädigung an Nawalny und seinen Bruder verurteilt worden. "Herrn Nawalny die Verletzung von Bewährungsauflagen aus einem willkürlichen Urteil vorzuwerfen, verstößt gegen rechtsstaatliche Prinzipien."
Im Übrigen habe sich Nawalny seit dem Mordanschlag auf ihn in Deutschland zur Rekonvaleszenz aufgehalten. "Es ist völlig unhaltbar, Herrn Nawalny für diesen Zeitraum die Verletzung von Bewährungsauflagen vorzuwerfen." Zu missbilligen sei auch, dass die richterliche Anhörung Nawalnys äußerst kurzfristig und auf der Polizeistation am Montagvormittag stattgefunden habe, sagte Seibert.