Süddeutsche Zeitung

Russischer Regierungskritiker:Kreml: Putin ohne Einfluss auf Nawalnys Krankentransport

Auch die Ärzte des Kreml-Kritikers im sibirischen Omsk weisen Vorwürfe zurück, sie hätten unter Kontrolle der Behörden gestanden. Regierungssprecher Seibert hält einen Giftanschlag auf Nawalny für gut möglich.

Der russische Präsident Wladimir Putin hat nach Angaben des Kreml keinen Einfluss auf den Transport des möglicherweise vergifteten Oppositionellen Alexej Nawalny nach Deutschland genommen. "Das ist absolut nicht das Vorrecht des Präsidenten", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der Staatsagentur Tass zufolge. Es habe auch keine internationalen Verhandlungen dazu gegeben.

Auch Nawalnys Ärzte im sibirischen Omsk haben die Vorwürfe zurückgewiesen, sie hätten unter der Kontrolle russischer Behörden gestanden. "Wir haben den Patienten versorgt, und wir haben ihn gerettet. Es gab keinen Einfluss von außen auf die Behandlung des Patienten", sagte der Chefarzt der Klinik in Omsk, Alexander Murachowsk.

Nawalny war erst knapp zwei Tage, nachdem er auf einem Flug ohnmächtig geworden war, von den Ärzten in Omsk die Erlaubnis zur Ausreise erteilt worden. Nawalnys Familie wirft den Behörden vor, dass sie so Beweise einer Vergiftung vertuschen wollten. Putins Sprecher betonte, dass die zuständigen Behörden sehr schnell gehandelt hätten. "Alle Genehmigungen und Formalitäten wurden zügig geklärt." Der Spezialflug sei ohne Probleme freigegeben worden, als die Ärzte Nawalny für transportfähig erklärt hätten, sagte Peskow. Der Flug zur Behandlung nach Deutschland war eine private Aktion der Initiative Cinema for Peace um Jaka Bizilj.

Die Bundesregierung hält es für gut möglich, dass auf Nawalny ein Giftanschlag verübt wurde. "Weil man mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit von einem Giftanschlag ausgehen kann, ist Schutz notwendig", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Die Bundesregierung fordere "volle Transparenz" bei der Aufklärung des Vorfalls. "Der Verdacht ist, dass Herr Nawalny vergiftet wurde, wofür es in der jüngeren russischen Geschichte leider einige Verdachtsfälle gab", sagte Seibert. Zurückhaltender äußerte sich parallel Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) in Kiew. Er wolle zur Ursache der Erkrankung Nawalnys noch keine Aussage treffen.

Nawalny ist seit Jahren einer der bekanntesten Widersacher von Putin. Der Aktivist hat sich mit seinen Recherchen zu Korruption und Machtmissbrauch viele Feinde gemacht. Nawalny spricht dieses Thema so deutlich an wie kaum jemand sonst in Russland. Seit Donnerstag liegt er im Koma. Zunächst wurde er in einem Krankenhaus in Sibirien versorgt, am Wochenende aber in die Berliner Charité überstellt.

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