Naturkatastrophen:Die Welt als Werkstatt

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Die Katastrophen auf der Welt spiegeln wider, was die Wissenschaft über die Folgen des Klimawandels schon lange prognostiziert. Und wie reagiert die Politik? Die betrachtet die Welt als Werkstatt.

Michael Bauchmüller

Wieder ist alles neu. Die Flut in Pakistan, sechs Millionen Menschen im Kampf ums Überleben - ohne Beispiel. Die wochenlange Dürre in Russland, Feuer überall im Land - nie dagewesen. Erdrutsche in China, die ganze Dörfer verschwinden lassen, Regenfälle, die nicht enden wollen - das hat es dort seit langem nicht gegeben.

Es ist der Sommer der Naturkatastrophen: Feuer und Wasser, Dürre und Flut - sie kommen daher wie Boten einer neuen, einer unangenehmen Zeit. (Foto: Fotos: dpa, Reuters, AFP)

Und in Brandenburg und Sachsen sind die Schäden des letzten Hochwassers noch nicht besichtigt, da kündigt sich schon das nächste an. Das Wort vom "Jahrhunderthochwasser" mag im Südosten der Republik ohnehin schon niemand mehr verwenden, dafür hat es sie zuletzt einfach zu oft gegeben. Feuer und Wasser, Dürre und Flut - sie kommen daher wie Boten einer neuen, einer unangenehmen Zeit.

Gut möglich, dass es einfach nur ein ganz eigenartiger Sommer ist, in dem sich ein Hochdruckgebiet über Russland verkeilt, während andernorts immer neue Unwetter aufziehen. In ihrer Ausprägung aber spiegeln die Katastrophen exakt die Prognosen der Wissenschaft über die Auswirkungen des Klimawandels wider. Zunehmende Temperaturen lassen Dürren wahrscheinlicher werden.

Das Gleiche gilt paradoxerweise für heftigen Regen. Ist die Luft wärmer, verdunstet mehr Wasser. Irgendwo muss es niedergehen, nur eben heftiger als gewohnt. Die Extreme werden häufiger, und sie liegen dichter beieinander: Wo eben noch Dürre war, kann übermorgen schon ein Starkregen die Felder vernichten. In der einen Region können die Keller unter Wasser stehen - in der Nachbarregion wässern die Menschen ihre Gärten. So gesehen, wirken die Nachrichten dieser Tage wie aus dem Jahr 2040. Behält die Wissenschaft recht, dann ist jene Generation, die den Klimawandel mit all seinen Extremen am eigenen Leib zu spüren bekommt, schon längst geboren.

Und wie reagiert Politik überall auf der Welt? Sie repariert. Pakistan erhält Zelte, Lebensmittel und Medikamente, Russland zusätzliche Löschflugzeuge, China baut neue Dörfer auf und entlang von Neiße und Elbe wachsen irgendwann die Deiche. Es ist das Mindeste, was Regierungen anbieten können, es hilft den Notleidenden und beugt, wenn schon nicht der nächsten Katastrophe, dann doch wenigstens deren Verheerungen vor.

Nur liegt darin wenig Hoffnung, solange Politik nicht die Wurzeln des Problems aufgreift. Dazu müsste sie in komplexen Zusammenhängen von Ursache und Wirkung denken, sie müsste jede Planung, jedes Gesetz in ein Gesamtsystem einbetten.

Das ist die Stärke von Politik nicht, weder in demokratischen noch in autoritären Systemen. So erklärt sich, warum in Deutschland munter weiter Flächen versiegelt werden, obwohl das den Abfluss großer Regenmengen nur erschwert, warum vielerorts Deiche die einzige Antwort auf Hochwasser sind, obwohl sie die Wassermassen nur in andere Regionen transportieren. Jeder menschliche Eingriff in die Umwelt zieht den nächsten gleich nach sich. Es ist das Wesen eines Systems, das allein auf Reparatur beruht.

Nirgends war das zuletzt besser zu beobachten als im Golf von Mexiko. Nie hat die Gier nach fossilen Rohstoffen solche Konsequenzen für ein Ökosystem gehabt wie bei der Havarie der BP-Plattform Deepwater Horizon. Seit aber das Bohrloch dicht ist, scheint sich das Öl im Meer wie von Geisterhand aufzulösen. Und Amerika diskutiert seither mehr über neue Fördermöglichkeiten als über die Fehler eines Systems, das ohne Öl nicht sein kann. Problem, Reparatur, nächstes Problem: die Welt als Werkstatt.

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China kommt nicht zur Ruhe: Nach sintflutartigen Regengüssen naht der zweite Taifun, eine explodierte Pipeline verseucht das Gelbe Meer und Abwasser einer Kupfermine geraten in den Fluss Ting.

Nach Art einer Springprozession bewegt sich die Welt damit auf Zustände hin, die sich schwer kontrollieren lassen. Zwar mögen sich Menschen an veränderte Bedingungen anpassen, lässt sich jede Dürre und jeder Flächenbrand irgendwie bewältigen. Aber in zunehmendem Maße könnte das Staaten überfordern. Was bedeuten die Brände für die russische Wirtschaft? Wie stark werden die Hochwasser Pakistan destabilisieren? Und vor allem: Wie viele solcher Katastrophen halten arme Staaten aus?

Die Folgen beschränken sich längst nicht mehr auf die betroffenen Regionen. Ob es der globale Weizenpreis ist, der infolge brennender Felder in Russland steigt, oder eine nukleare Wolke, die sich durch die Brände ausdehnen kann: Die globale Gemeinschaft ist nicht fern.

Dasselbe gilt für die Verheerungen in Pakistan, die absehbar Millionen Menschen um ihre Existenz bringen - und womöglich Taliban zur Atombombe verhelfen, sollte die Regierung die Kontrolle über ihr Land verlieren.

Ist der August 2010 tatsächlich nur so etwas wie der Vorbote einer anderen Zeit, dann lässt er nichts Gutes ahnen. Wo Wetterextreme sich häufen, drohen Armut, Unsicherheit und Massenflucht. Das wird auch jene Staaten berühren, die ihren Wohlstand bislang noch gut schützen können.

Es ist nicht so, dass diese Gefahren noch nicht erkannt wären. Die Staaten verhandeln auch deshalb über den Klimaschutz. Umkehren kann er die Entwicklung nicht mehr, er könnte sie aber bremsen. Vergangene Woche erst trafen sich Diplomaten aus aller Welt in Bonn zu Verhandlungen, doch nach ihrem Treffen hielten sie weniger in den Händen als vorher.

Es sieht ganz so aus, als müssten wir uns an die Reparaturen gewöhnen.

© SZ vom 09.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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