Bundeswehr:Das Milliardenrätsel

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Teure Verteidigung: Besatzung eines „Puma“-Schützenpanzers beim Nato-Großmanöver „Steadfast Defender“ im vergangenen Mai in Litauen. (Foto: Juliane Sonntag/IMAGO/photothek)

Donald Trump droht schon mit Nato-Austritt – das erhöht den Druck auf Deutschland, mehr für die Verteidigung zu zahlen. Was das heißt, ist völlig offen. Auch Friedrich Merz drückt sich um Antworten herum.

Von Georg Ismar, Berlin

Friedrich Merz gibt sich gern als Freund der Bundeswehr, im vergangenen Juni steuerte der Hobbypilot aus dem Sauerland kurzzeitig selbst mal einen Eurofighter, zusammen mit dem Luftwaffenpiloten wurde die Schallmauer durchbrochen. Die damalige Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang wetterte, die mehr als 100 000 Euro dafür sollten besser für die Truppe ausgegeben werden, „nicht für persönliche Abenteuer und Selbstinszenierung“. Allerdings wären die Kosten von 111 242,38 Euro laut Verteidigungsministerium ohnehin angefallen, da der Trainingsflug auch ohne den CDU-Vorsitzenden stattgefunden hätte.

Das Beispiel zeigt: Landes- und Bündnisverteidigung ist ein teures Geschäft, noch dazu, wenn die Abschreckungsfähigkeit so stark erhöht werden soll, dass es nicht zu einem Konflikt Russlands mit der Nato kommt. Ein entscheidender Teil dieser Abschreckung war bisher der amerikanische Schutz für Europa. Doch Donald Trump, der am 20. Januar wieder das Weiße Haus beziehen wird, hat nun in einem NBC-Interview deutlich gemacht, er ziehe einen Austritt der USA aus dem Militärbündnis „absolut“ in Betracht, falls die Nato-Verbündeten keine höheren Beiträge leisten. Verteidigungspolitiker in Berlin mahnen seit Wochen, dass die bisherigen Verteidigungs- und Rüstungsausgaben von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) nicht mehr ausreichen – weder um verteidigungsfähig gegen Russland zu werden noch um die USA durch eine andere Lastenverteilung in der Nato zu halten.

„Für Deutschland werden unter Donald Trump schwierige Zeiten anbrechen.“

Die Quote der USA betrug im vergangenen Jahr 3,4 Prozent gemessen am BIP, das entsprach 916 Milliarden US-Dollar (867 Milliarden Euro) an Militärausgaben. Deutschland kommt im laufenden Jahr mit rund 90,6 Milliarden Euro auf einen Anteil von 2,1 Prozent; knapp 52 Milliarden entfallen auf den Verteidigungsetat, plus 19,8 Milliarden aus dem Sondervermögen für die Bundeswehr, dazu 18,8 Milliarden aus anderen Bereichen, wie der Ukraine-Hilfe und Ausgaben anderer Ministerien und der Wehrbeauftragten. Nun liegt dem von den Nato-Staaten 2014 vereinbarten Ziel keine ernsthafte Bedarfsanalyse zugrunde, auch in puncto Effizienz sind sicher noch einige Dinge zu heben. Aber dass besonders beim Heer die Defizite groß sind, wird von den Parteien der demokratischen Mitte nicht bestritten.

Doch der Wahlkampf für die am 23. Februar vorgesehene Neuwahl des Bundestags dümpelt auf überschaubarem Niveau vor sich hin, die ganz großen Fragen müssen erst noch beantwortet werden. Der Außen- und Verteidigungspolitiker Roderich Kiesewetter (CDU) war gerade in den USA, sein Befund lautet in einem der Süddeutschen Zeitung vorliegenden Dienstreisebericht so: „Für Deutschland werden unter Donald Trump schwierige Zeiten anbrechen.“ Alle Gesprächspartner, egal wie nah oder kritisch sie Trump gegenüberstehen, hätten ihm als einzig mögliche kurzfristige deutsche Handlungsoption aufgezeigt, „sofort bei den ersten Gesprächen ein Angebotspaket auf den Tisch zu legen“. Als Minimalinhalt müssten darin Verteidigungsausgaben enthalten sein, „die in Richtung drei Prozent gehen“. Das würde bei einem BIP in Deutschland von zuletzt 4,19 Billionen Euro Militärausgaben von rund 125 Milliarden Euro im Jahr bedeuten.

Die CDU-Zentrale kann auch auf mehrfache Nachfrage keine Antwort liefern, wie die Partei nach Auslaufen des Sondervermögens die Verteidigungsausgaben deutlich steigern will. Denn von etwa 2027 an sind allein schon 30, eher 40 Milliarden Euro mehr im regulären Verteidigungsetat notwendig, um zumindest das Zwei-Prozent-Ziel weiter zu erfüllen – sofern es kein neues Sondervermögen gibt.

Pistorius will die Verteidigungskosten ganz von der Schuldenbremse ausklammern

Die CSU betonte im Leitantrag für den Parteitag im Oktober, zu Zeiten von Franz Josef Strauß als Verteidigungsminister seien sogar vier Prozent für Verteidigung bereitgestellt worden: Es brauche neben der Vollausstattung aller Verbände auch eine schnelle Beschaffung modernster Bewaffnung wie Drohnen und den Einbezug von künstlicher Intelligenz – aber zur Finanzierung schweigt man sich aus. Bei der SPD wird hingegen betont, um die Finanzierung zu sichern, strebe man eine Reform der Schuldenbremse an. Auch Merz zeigte sich zuletzt dafür offen, ruderte aber auch wieder zurück – er setzt vor allem auf Umschichtungen im Bundeshaushalt - was viele angesichts der notwendigen Summen für illusorisch halten. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hat hingegen vorgeschlagen, sämtliche Verteidigungskosten ganz von der Schuldenbremse auszuklammern, um hier dauerhaft ausreichend weit mehr investieren zu können.

Der stellvertretende AfD-Bundessprecher Peter Boehringer kritisiert hauptsächlich die Finanzierung „fremder Kriege“, womit er die militärische Unterstützung der Ukraine meint. Stattdessen plädiert er dafür, alle Zahlungen aus dem Verteidigungsetat und dem Sondervermögen „wirklich Verteidigungszwecken in der Bundeswehr zufließen zu lassen“. Man müsse wegkommen von der reinen Debatte über Prozentzahlen bei den Ausgaben. Die „auch finanziell beste Investition in Verteidigungsfähigkeit“ sei zudem die in Diplomatie. Für die Grünen betont die neue Vorsitzende Franziska Brantner, wichtig sei, dass Deutschland und Europa mehr Verantwortung für ihre eigene Sicherheit übernehmen – unabhängig von der US-Politik. Aber wie das finanziell umgesetzt werden soll, das bleibt auch bei ihr offen. Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck hatte ein neues Bundeswehr-Sondervermögen, am besten mit einem Beschluss noch vor der Bundestagswahl ins Spiel gebracht, aber  ohne die Union ist das nicht umsetzbar.

Das Verteidigungsministerium versucht angesichts der ungeklärten Lage einen Abbruch bei der Beschaffung zu vermeiden - und will vor allem in einem Bereich noch vor der Wahl Fakten schaffen, auch wegen der zuletzt offenkundig gewordenen russischen Störmanöver in der Ostsee. Dem Haushaltsausschuss des Bundestags liegt ein Antrag vor für die Anschaffung von vier U-Booten der Klasse 212 CD für insgesamt 4,7 Milliarden Euro vom Unternehmen Thyssenkrupp Marine Systems. Die Beschaffung sei zwingend für die Sicherung der Nato-Nordflanke. Aber es ist ein Antrag auf Pump. Nur eine Milliarde davon wäre gesichert finanziert, der Großteil der Finanzierung müsste von der neuen Regierung geklärt werden. Bislang ist unklar, ob die Union da mitmacht – oder lieber erst die Wahl abwartet.

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