Nato-Sondertreffen:"Neue Realität"

Nato-Sondertreffen: Der Norweger Jens Stoltenberg stimmt in Brüssel auf die Nato-Sondersitzung am Tag darauf ein.

Der Norweger Jens Stoltenberg stimmt in Brüssel auf die Nato-Sondersitzung am Tag darauf ein.

(Foto: Kenzo Tribouillard/AFP)

Nato-Generalsekretär Stoltenberg deutet vor dem Treffen der Verteidigungsminister in Brüssel eine mögliche stärkere Militärpräsenz in Osteuropa an. Nächste Woche reist Joe Biden nach Europa.

Von Matthias Kolb, Brüssel

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat Russland davor gewarnt, unter falschem Vorwand in der Ukraine chemische Waffen einzusetzen. Vor dem Sondertreffen der Verteidigungsminister der Militärallianz am Mittwoch nannte er die russische Behauptung, die Ukraine stelle mithilfe der USA in Geheimlaboren biologische Waffen her, eine "weitere Lüge". Über die Russen sagte Stoltenberg: "Sie haben behauptet, dass sie keine Invasion der Ukraine planen - und sie haben genau das getan. Sie haben behauptet, dass sie ihre Truppen abziehen - und sie haben noch mehr Soldaten geschickt. Sie haben behauptet, dass sie Zivilisten schützen werden - und nun töten sie Zivilisten."

Wie die Nato auf den Einsatz chemischer Waffen durch Präsident Wladimir Putin reagieren würde, sagte Stoltenberg auf Nachfrage zwar nicht. Er betonte aber, dies wäre ein "Kriegsverbrechen", für das Russland "einen hohen Preis" zahlen würde.

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Mittlerweile sind mehrere Hunderttausend Soldaten aus den Nato-Mitgliedstaaten in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt. Darunter sind laut Stoltenberg etwa 100 000 US-Soldaten in Europa sowie etwa 40 000 Soldaten unter direktem Nato-Kommando, die sich vor allem in Osteuropa befänden. Unterstützt werden sie von Luft- und Seestreitkräften sowie von der Luftabwehr.

Die Verteidigungsminister wollen in Brüssel über die Frage diskutieren,, welche Folgen diese "neue Realität" für das militärische Auftreten der Nato haben könnte. Stoltenberg deutete an, dass künftig "substanziell mehr" Soldaten in Ost- und Südosteuropa stationiert werden könnten. Diese würden sich dann nicht nur in höherer Einsatzbereitschaft befinden, für sie könnte auch deutlich mehr militärisches Gerät vor Ort bleiben. Bislang rotieren Länder wie Deutschland, Kanada, Großbritannien oder die USA, die im Baltikum und in Polen multinationale Kampfverbände anführen, neben ihren Truppen auch die Ausrüstung. Als weitere Optionen gelten mehr Luft- und Marineeinsätze, eine Stärkung der Luft- und Raketenabwehr sowie zusätzliche und größere Übungen.

Die größte Sorge der Nato gilt den Nato-Ländern, sagt Stoltenberg

Per Video soll am Mittwochvormittag der ukrainische Verteidigungsminister Oleg Reznikow zugeschaltet werden. Stoltenberg betonte zwar, dass die Nato die Ukraine weiter unterstützen werde, sich zu verteidigen. Ihr wichtigstes Ziel bleibe aber, für den Schutz der 30 Nato-Mitglieder zu sorgen und deren Territorien zu verteidigen.

Da die Allianz eine Eskalation mit der Atommacht Russland vermeiden will, lehnt sie es trotz der Forderungen von Präsident Wolodimir Selenskij ab, eine Flugverbotszone über der Ukraine durchzusetzen. Zuvor hatte Julianne Smith, die US-Botschafterin bei der Nato, betont, dass eine Flugverbotszone "zurzeit nicht auf dem Tisch liege". Sie verwies auch darauf, dass der Angriff auf das Militärlager Jaworiw nahe der polnischen Grenze von einem russischen Bomber aus russischen Luftraum erfolgt sei. Dies werfe die Frage auf, ob eine Flugverbotszone eine "große Wirkung" auf die russischen Fähigkeiten haben würde, ukrainisches Territorium anzugreifen.

Kroatien dürfte einen Vorfall ansprechen, der die Reaktionsfähigkeit der Nato betrifft. Am Freitag war nahe Zagreb eine vierzehn Meter lange und sechs Tonnen schwere Drohne sowjetischer Bauart neben einem Studentenheim heruntergekracht. Verletzt wurde niemand, doch es fragt sich, wie das Fluggerät von der Ukraine über Rumänien und Ungarn, die beide der Nato angehören, bis nach Kroatien fliegen konnte. Kroatischen Angaben zufolge ist unklar, ob die Drohne vom Typ Tupolew M-141 von der ukrainischen oder der russischen Seite abgefeuert wurde. Stoltenberg sagte nur, dass die Nato ihre Wachsamkeit erhöht habe und dieses Beispiel zeige, dass durch erhöhte militärische Aktivitäten das Risiko von Unfällen steige.

Später wurden auch die Berichte, wonach US-Präsident Joe Biden bald nach Europa reisen und in Brüssel ein Nato-Sondergipfel abgehalten wird, von Stoltenberg bestätigt. Er habe für den 24. März einen Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs einberufen, schrieb er auf Twitter. Am Tag darauf wird Biden am EU-Gipfel teilnehmen, für den Spitzenpolitiker wie Bundeskanzler Olaf Scholz und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ohnehin nach Brüssel hätten reisen müssen.

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