Militär:Nato und Russland kommen sich näher

Militär: Der Himmel über Moskau: Russische Kampfjets bei der traditionellen Siegesparade am Roten Platz.

Der Himmel über Moskau: Russische Kampfjets bei der traditionellen Siegesparade am Roten Platz.

(Foto: Vasily Maximov/AFP)
  • Im Nato-Russland-Rat geht es vor allem darum, das Risiko von militärischen Zwischenfällen zu minimieren.
  • Russland wünscht sich mehr Sicherheit im Luftraum über der Ostsee.
  • Die Nato will, dass beide Parteien ihre Pläne für Manöver frühzeitig offen legen.

Von Daniel Brössler, Brüssel

Russen und Nato-Vertreter haben viel und wenig freundlich übereinander gesprochen in den vergangenen Tagen. Am Mittwoch hatten sie in Brüssel Gelegenheit, sich das alles ins Gesicht zu sagen. Zum zweiten Mal binnen weniger Monate trat der Nato-Russland-Rat zusammen.

So setze man, hatte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier zum Abschluss des Warschauer Nato-Gipfels gesagt, den gewünschten "ernsthaften Dialog" mit Russland in die Tat um. "Es war ein nützliches Treffen mit offenen Diskussionen", sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. "Die Atmosphäre war gut, aber wir waren uns nicht einig", berichtete er. Und: "Unser Dialog geht weiter."

Drei Themen standen im Nato-Hauptquartier auf der Tagesordnung: die Lage im Osten der Ukraine sowie in Afghanistan - vor allem aber die Frage, wie das Risiko von Zwischenfällen zwischen der Nato und Russland verringert werden kann. Zu diesem Zweck wurde Russlands Botschafter bei der Nato, Alexander Gruschko, vom Deutschen Heinrich Brauss, als Beigeordneter Generalsekretär zuständig für Verteidigungspolitik, über die Gipfelbeschlüsse informiert.

Nach der Sitzung schlägt Russlands Botschafter bei der Nato einen scharfen Ton an

Zentraler Beschluss war die rotierende Stationierung von je einem multinationalen Nato-Bataillon in Polen, Litauen, Lettland und Estland. Die je tausend Soldaten sollen "unzweideutig demonstrieren", dass die Allianz umgehend auf jede Aggression reagieren werde. Ein Generalleutnant aus dem Verteidigungsministerium in Moskau legte die russischen Pläne dar, drei Brigaden im Westen Russlands auf Divisionsgröße aufzustocken. Das sei aber kein Grund zur Beunruhigung; sie befänden sich in mindestens 300 Kilometern Entfernung von Nato-Gebiet.

In einer Pressekonferenz nach der Sitzung schlug Gruschko allerdings einen deutlich schärferen Ton an. Die Ukraine-Krise sei nur ein Vorwand für die Nato-Verstärkung. "Wir halten diese Maßnahmen für ungerechtfertigt und kontraproduktiv. Sie haben einen konfrontativen Charakter", sagte er.

In der Sitzung hatte die russische Seite zuvor aber Gespräche auf militärischer Ebene vorgeschlagen - insbesondere für mehr Sicherheit im Luftraum über der Ostsee. Dabei geht es darum, dass alle Militärflugzeuge auf bestimmten Routen ihre Transponder einschalten sollen. Stoltenberg begrüßte den Vorstoß. Russland müsse aber "mehr Details" nachliefern. Transponder allein lösten das Problem nicht. Auch gefährliche Flugmanöver müssten unterbleiben.

Die Nato wiederum will vor allem über die Modernisierung des sogenannten Wiener Dokuments verhandeln. Das Papier war nach Ende des Kalten Krieges 1990 vereinbart worden und soll für militärische Transparenz und Vertrauensbildung sorgen und dabei helfen, Zwischenfälle zwischen den Streitkräften zu vermeiden. In ihrer Warschauer Abschlusserklärung riefen die Staats- und Regierungschefs Russland dazu auf, "sich konstruktiv an den laufenden Verhandlungen im Rahmen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) zu beteiligen, um Schlupflöcher zu schließen, welche die militärische Transparenz verringern".

Das Verhältnis zwischen der Nato und Russland ist äußerst angespannt

Aus Sicht der Nato schlüpfen regelmäßig mehrere Tausend russische Soldaten durch diese Löcher - immer dann nämlich, wenn die russischen Streitkräfte sogenannte snap exercises veranstalten, also blitzartig anberaumte, angeblich kleinere Manöver. Nach dem Wiener Dokument müssen militärische Aktivitäten mindestens 42 Tage vor ihrem Beginn angekündigt werden. Das ist allerdings nur dann der Fall, wenn mindestens 9000 Soldaten beziehungsweise 250 Kampfpanzer oder 500 gepanzerte Kampffahrzeuge an der Übung beteiligt sind. Russland bleibt mit seinen Blitzübungen nach eigener Darstellung stets unter diesen Werten, was allerdings von Nato-Seite bezweifelt wird. Veränderungen am Wiener Dokument seien für Russland derzeit kein Thema, machte Gruschko klar.

Das Verhältnis zwischen der Nato und Russland ist seit der Annexion der Krim und dem Beginn des von Russland befeuerten Kriegs im Osten der Ukraine äußerst angespannt. Das Bündnis suspendierte die praktische Zusammenarbeit mit Russland, wollte Kommunikationskanäle aber offenhalten. Der Nato-Russland-Rat wurde formal nie ausgesetzt, tagte aber nach fast zweijähriger Pause im April zum ersten Mal wieder.

Geschaffen worden war er 2002 auf einem Nato-Russland-Gipfel in Rom. Immer noch gebunden fühlt sich die Nato an die 1997 vereinbarte Grundakte, wiewohl Russland mit der Krim-Annexion und seiner Hilfe für die Separatisten im Donbass gegen ein Grundprinzip des Abkommens verstoßen hat. Es postuliert ausdrücklich den "Verzicht auf die Androhung oder Anwendung von Gewalt gegeneinander oder gegen einen anderen Staat, seine Souveränität, territoriale Unversehrtheit oder politische Unabhängigkeit".

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