Süddeutsche Zeitung

Nato-Mission in der Ägäis:Land in Sicht

  • Seit März patrouilliert die Nato in der Ägäis. Derzeit ist der internationale Verband mit acht Schiffen und Booten zwischen der Türkei und Griechenland unterwegs.
  • Grüne kritisieren den Anti-Schlepper-Einsatz, an dem auch die deutsche Marine beteiligt ist. Was bringt er?
  • Verteidigungsministerin von der Leyen verteidigt die Mission als vertrauensstiftend zwischen Griechen und Türken.

Von Christoph Hickmann, Izmir

Die See ist ruhig, wenn auch nicht spiegelglatt. Sachte kräuseln sich die Wellen, weißer Schaum auf blauer Wasseroberfläche, die Bonn ist langsam unterwegs. Mit gerade mal zwei Knoten schiebt sich der Einsatzgruppenversorger der deutschen Marine voran, auch oben auf der Brücke geht alles seinen ruhigen Gang.

Ein Decksoffizier sitzt vor seinem Bildschirm, als Punkte sind darauf Schiffe und Boote zu sehen, die gerade hier in der Gegend unterwegs sind. Eines davon ist das Boot der türkischen Küstenwache, das von der Brücke der Bonn aus mit bloßem Auge gut zu erkennen und ebenfalls ziemlich gemächlich unterwegs ist. Für Hektik gibt es an diesem Vormittag keinen Anlass. Alles so weit ruhig in der östlichen Ägäis.

Es war im Februar, als gleichsam über Nacht eine neue Nato-Mission ersonnen wurde. Schiffe des Bündnisses sollten in der Ägäis patrouillieren und so dazu beitragen, die Fluchtrouten zwischen dem türkischen Festland und den griechischen Inseln unattraktiver zu machen, wenn nicht gar ganz zu verschließen. Allerdings dauerte es dann noch eine ganze Weile, bis die Mission offiziell beginnen konnte.

Zur ohnehin eher abwartenden Haltung der Türkei vor der Vereinbarung über den Deal mit der EU kamen die komplizierten, traditionell angespannten Beziehungen zwischen Türken und Griechen, deren territoriale Ansprüche sich an diversen Stellen nicht übereinbringen lassen. Die östliche Ägäis, so sagt es der deutsche Flottillenadmiral Jörg Klein, sei "ein kleines Minenfeld".

Die Anti-Schlepper-Mission stand von Beginn an in der Kritik

Klein führt von der Bonn aus den internationalen Verband, der nun seit März offiziell unterwegs ist, um "aufzuklären, zu überwachen und zu beobachten" - so drückt Klein den Auftrag aus. Was das konkret heißt?

Dass die derzeit acht Schiffe und Boote beobachten, ob Boote mit Flüchtlingen von der türkischen Seite aus ablegen oder ablegen wollen. Der Verband selbst greift dann aber nicht ein, sondern gibt die Informationen an die EU-Grenzschützer von Frontex, die griechische und die türkische Küstenwache weiter - die dann aktiv werden sollen. Und zwar schnell, wenn man bedenkt, wie schmal das Gewässer hier teilweise ist, das die Flüchtlinge überqueren müssen. Am Mittwochvormittag schiebt sich die Bonn zwischen der griechischen Insel Chios und dem türkischen Festland hindurch.

Von Beginn an stand die Anti-Schlepper-Mission in der Kritik. Es sei "völlig unklar, welche genauen Aufgaben, welche Grundlagen und Grenzen sowie welchen Mehrwert dieser Einsatz haben soll", monierte etwa die Grünen-Verteidigungsexpertin Agnieszka Brugger schon früh. Tatsächlich ist vor allem der letzte Punkt noch immer offen: Was bringt die Mission?

Natürlich sind die Zahlen der Flüchtlinge stark zurückgegangen. Statt 5000 am Tag überqueren derzeit nach offiziellen Angaben täglich noch etwa 100 Flüchtlinge die Ägäis.

Allerdings ist die Frage, welchen Anteil die Präsenz der Nato-Kriegsschiffe daran hat - und ob der Rückgang nicht eher auf den EU-Türkei-Deal zurückzuführen ist, auf den politischen Willen der Türken, Boote mit Flüchtlingen am Ablegen zu hindern. Etwa 100 Flüchtlingsboote soll der Nato-Verband seit Beginn der Mission gesichtet haben. Flottillenadmiral Klein drückt es diplomatisch aus: Die Ursachen für den Rückgang seien "vielfältig".

Selbstverständlich hebt er trotzdem die Erfolge der Mission hervor. Wenn sein Verband melde, dass am Ufer ein Boot mit Flüchtlingen zum Ablegen vorbereitet werde, dann würden dank der Nato-Präsenz "tatsächlich Aktivitäten erfolgen" - was bedeutet: die Küstenwache greife ein. Vor allem aber betont er, man habe "die Kooperation und den Informationsaustausch verbessert". Die Nato bringt also ihre Mitglieder Türkei und Griechenland zusammen.

Von der Leyen: Es sei "ausgesprochen schwierig" für Schlepper, dort zu operieren

Es ist dieser völkerverständigende Aspekt, den auch Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) bei ihrem Besuch auf der Bonn am Mittwoch immer wieder betont. "Sie haben es geschafft, in den vergangenen wenigen Wochen Vertrauen zu stiften", sagt sie in einer kurzen Ansprache vor der Besatzung. Einen "Raum des Vertrauens und der Gespräche" habe man eröffnet. Flottillenadmiral Klein berichtet, dass Griechen und Türken mittlerweile in einem Ausmaß kooperierten, das er sich nicht habe vorstellen können.

Aber ist das alles nicht ein bisschen viel Aufwand, um zwei Dauerrivalen einander näher zu bringen? Schließlich ist die deutsche Marine derzeit ohnehin bis an die Grenze ihrer Kapazitäten ausgelastet.

So will von der Leyen das nicht sehen, stattdessen lobt sie, es sei mittlerweile "ausgesprochen schwierig" für Schlepper und Schleuser, "in diesem Raum hier zu operieren". Zwar sei man sich "völlig bewusst", dass nicht die Nato-Präsenz allein zum Rückgang der Flüchtlingszahlen geführt habe. Sie sei aber "ein wichtiger Baustein".

Vollkommen rund läuft die Mission noch nicht. Eigentlich sind für den Nato-Verband vier Einsatzgebiete definiert, bislang darf er aber nur in zweien davon operieren, im nördlichen Teil.

Der Süden ist bislang eine ungedeckte Flanke, offenbar sperrt sich die Türkei bislang, ihn freizugeben. Auch mit den eigenen Bord-Helikoptern darf der Nato-Verband bislang nicht operieren. Ob sich daran noch etwas ändern werde? Flottillenadmiral Klein sagt: "Wenn ich nicht ein grundsätzlich zuversichtlicher Mensch wäre, dann wäre ich hier in der östlichen Ägäis der Falsche."

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SZ vom 21.04.2016/mmm
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