Süddeutsche Zeitung

Nato-Luftschlag bei Kundus:KSK-Elitesoldaten unterstützten Bombenangriff

Neue Enthüllungen heizen die Debatte über den Luftangriff bei Kundus weiter an: Die Bundeswehr-Elitetruppe Kommando Spezialkräfte (KSK) soll an dem Einsatz maßgeblich beteiligt gewesen sein. Die Grünen erheben derweil schwere Vorwürfe gegen die Bundesregierung.

An dem deutschen Befehl zum Luftangriff auf zwei Tanklastzüge in der Nähe der nordafghanischen Stadt Kundus hatte laut einem Zeitungsbericht die Bundeswehr-Elite-Einheit Kommando Spezialkräfte (KSK) maßgeblichen Anteil. Das berichtet die Bild-Zeitung unter Berufung auf Bundeswehrkreise und -berichte.

Im deutschen Feldlager Kundus sei demnach der gesamte Einsatz - vom ersten Hinweis eines afghanischen Informanten bis zur abschließenden Entscheidung für das Bombardement - aus einem Kommandostand einer geheimen Einheit namens Task Force 47 (TF47) geführt worden. Diese Task Force bestehe zur Hälfte aus KSK-Soldaten.

Klein wurde von KSK beraten

Während des Einsatzes sei der verantwortliche deutsche Oberst Georg Klein zugleich auch Chef der TF47 gewesen, schreibt die Zeitung weiter. Klein sei von fünf weiteren Offizieren und Unteroffizieren beraten und betreut worden, die allesamt der TF47 angehört hätten, einer von ihnen nachweislich auch der KSK.

Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums sagte der Zeitung, die Obleute des Verteidigungsausschusses des Bundestages seien am 6. November über die Existenz der Task Force 47 informiert worden. Nach Angaben von Teilnehmern sei über Beteiligung und Rolle der KSK bei dem Einsatz dabei aber nicht weiter informiert worden, berichtete die Bild-Zeitung.

Die Grünen haben derweil den Verdacht geäußert, die Bundesregierung könnte Einfluss auf die Erstellung des Nato-Untersuchungsberichtes genommen haben. Nach Angaben des Grünen-Verteidigungspolitikers Omid Nouripour gegenüber der Berliner Zeitung werde eine der zentralen Fragen des Untersuchungsausschusses sein: "Gab es eine politische Einflussnahme von deutscher Seite, dass der Bericht geglättet wurde?"

Nouripour: Kritik an Guttenberg

Beim Vergleich zwischen dem - bislang nicht veröffentlichten, aber einigen Abgeordneten vorgelegten - Nato-Bericht mit dem Bericht des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) über den Luftangriff nahe Kundus falle auf, "dass aus dem Nato-Papier eine Zurückhaltung spricht, was die klare Bewertung der Verantwortlichkeiten angeht", sagte Nouripour.

Damit sei Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) jedoch nicht entlastet. "Der Nato-Bericht ist trotzdem deutlich genug, um die Nichtangemessenheit des Angriffs festzustellen", urteilte Nouripour. Dies hätte "damals auch Guttenberg merken müssen".

Im Untersuchungsausschuss zu dem Bombardement von Anfang September soll nach dem Willen der Grünen neben Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auch der damalige Kanzleramtsminister und heutige Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) aussagen.

Über die Anzahl der Opfer gibt es bislang unterschiedliche Angaben. Ein Untersuchungsbericht der afghanischen Regierung sprach von 30 toten Zivilisten, ein geheimer Nato-Bericht geht von bis zu 142 Toten insgesamt aus.

Opferanwalt fordert Entschädigungsfonds

Nach Angaben des Anwalts der Opferfamilien sind bei dem Angriff mindestens 137 Zivilisten getötet worden. "Wir haben allein 91 Witwen von Opfern des Bombardements und 163 Waisenkinder registriert", sagte Rechtsanwalt Karim Popal der Neuen Presse. Demnach würden seit dem Angriff auch 22 Menschen vermisst. Zudem habe es 20 Verletzte gegeben, sagte Popal.

Popal forderte von der Bundesregierung die Einrichtung eines Entschädigungsfonds. Dass die Bundesregierung eine Entschädigung an die Opfer zahlen wolle, sei eine "weise Entscheidung" gewesen. Allerdings sei einer Witwe in Afghanistan mit der reinen Geldzahlung nicht geholfen. "Die Bundesregierung muss den Opfern der Angehörigen helfen und für sie Zukunftsperspektiven schaffen", sagte Popal.

Die Bundesregierung hat eine finanzielle Entschädigung von Opfern und Hinterbliebenen angekündigt. Außerdem prüft die Bundesanwaltschaft die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen den verantwortlichen deutschen Oberst Georg Klein.

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AFP/Reuters/dgr/woja
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