Gipfel in Washington:„Russland wird sich nicht durchsetzen“

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Die höchste zivile Auszeichnung Amerikas, die Presidential Medal of Freedom, hat Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg (links) von US-Präsident Joe Biden bekommen. (Foto: KEVIN DIETSCH/Getty Images via AFP)

US-Präsident Joe Biden und Generalsekretär Jens Stoltenberg bekräftigen beim Nato-Gipfel ihre Unterstützung für die Ukraine. Überraschend verkünden die USA zudem, von 2026 an neue weit reichende Waffen in Deutschland zu stationieren.

Von Daniel Brössler, Peter Burghardt, Washington

Inmitten eines Kriegs in Europa und wachsender Unsicherheit in den westlichen Demokratien versucht die Nato, Zweifel an ihrer Einsatz- und Verteidigungsbereitschaft zu zerstreuen. Zum Auftakt des Gipfels der Allianz kündigten die USA am Mittwoch überraschend die Stationierung neuer weit reichender Waffen in Deutschland an. „Diese werden über deutlich größere Reichweite als die derzeitigen landgestützten Systeme in Europa verfügen“, hieß es in einer deutsch-amerikanischen Erklärung. Genannt wurden die Systeme SM-6, Tomahawk und derzeit in Entwicklung befindliche Überschall-Waffen.

Die für 2026 geplante Stationierung verdeutliche die „Verpflichtung der Vereinigten Staaten von Amerika zur Nato sowie ihren Beitrag zur integrierten europäischen Abschreckung“, erklärten die beiden Regierungen. Die Nato bemüht sich seit dem russischen Überfall auf die Ukraine 2022 um eine drastische Erhöhung ihrer Verteidigungsbereitschaft. Marschflugkörper dienen der Zerstörung von Zielen tief in gegnerischem Gebiet. Dabei wird der Tomahawk von Schiffen oder U-Booten eingesetzt, während der deutsche Marschflugkörper vom Typ Taurus von Flugzeugen aus gestartet wird.

Ein US-amerikanischer Tomahawk-Flugkörper. Die Waffe kann tief in gegnerisches Gebiet eindringen. (Foto: Department of Defense/imago/ZUMA Press)

US-Präsident Joe Biden lobte in einem Festakt zum 75-jährigen Bestehen der Nato den Zustand der Allianz. „Heute ist die Nato stärker, als sie es je in ihrer Geschichte gewesen ist“, sagte er. Nach dem Beitritt Finnlands und Schwedens sei das Bündnis mit 32 Mitgliedern mächtiger denn je. Beide Länder waren der Nato nach Beginn des russischen Angriffskrieges beigetreten.

23 Mitgliedstaaten erreichen laut Biden in diesem Jahr das Ziel, zwei Prozent ihrer Wirtschaftskraft für Verteidigung auszugeben

Biden, innenpolitisch wegen der Diskussion um seine Altersgebrechen stark unter Druck, war bemüht, seine eigene Führungsrolle zu unterstreichen. Der 81-jährige Präsident verwies darauf, dass in diesem Jahr 23 Mitgliedstaaten das Nato-Ziel erreichen würden, zwei Prozent ihrer Wirtschaftskraft für Verteidigung auszugeben. Bei seinem Amtsantritt 2021 seien es nur neun gewesen. Damit sei die Allianz finanziell so gut ausgestattet wie noch nie. Dieser „bemerkenswerte Fortschritt“ beweise die Entschlossenheit der Allianz. Das Bündnis sei „bereit und in der Lage, Aggressionen abzuschrecken und jeden Zentimeter Nato-Gebiets zu verteidigen“.

Der Ukraine sagte Biden anhaltende Unterstützung zu und verkündete ein neues Hilfspaket der USA, Deutschlands, Italiens, der Niederlande und Rumäniens zur Verbesserung ihrer Luftverteidigung. Neben fünf weiteren Patriot-Flugabwehrsystemen soll die Ukraine in den kommenden Monaten Dutzende taktische Flugabwehrsysteme bekommen. Noch in diesem Sommer sollen F-16-Kampfjets in der Ukraine zum Einsatz kommen. Der Transfer sei bereits im Gange, kündigten die USA, die Niederlande und Dänemark am Rande des Nato-Gipfels an. „Wir wissen, dass Putin in der Ukraine nicht haltmachen wird“, sagte Biden. Die Ukraine werde umgekehrt aber Putin stoppen „mit unserer vollen, kollektiven Unterstützung“. Der Ukraine wurde in der Gipfelerklärung ein „unumkehrbarer“ Weg zur Nato-Mitgliedschaft versprochen – allerdings weiterhin ohne Zeitplan. Angesichts jüngster russischer Luftangriffe, unter anderem auf ein Kinderkrankenhaus, mit vielen zivilen Toten sollte ein Signal der Solidarität vom Gipfel ausgehen. Biden verkündete: „Russland wird sich nicht durchsetzen, die Ukraine wird sich durchsetzen.“

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Ähnlich äußerte sich der scheidende Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. „Jetzt ist die Zeit, für Freiheit und Demokratie einzustehen“, sagte er beim Jubiläumsfestakt am Dienstagabend. Dabei griff der Norweger auch die in einzelnen Mitgliedsländern wachsende Kritik an der Unterstützung der Ukraine mit Waffen und erheblichen Finanzmitteln auf. „Es gibt keine kostenlosen Optionen mit einem aggressiven Nachbarn wie Russland“, betonte er. „Es gibt keine risikolosen Optionen in einem Krieg.“ Nicht vergessen werden dürfe aber: „Der höchste Preis und das größte Risiko wäre es, wenn Russland in der Ukraine gewinnt.“ Das würde nicht nur Putin ermutigen, sondern auch andere autoritäre Staatsführer etwa in China, Nordkorea und Iran, warnte Stoltenberg. Daher gelte: „Das werden wir nicht geschehen lassen.“ Der Ausgang des Kriegs in der Ukraine werde das globale Sicherheitsgefüge für Jahrzehnte prägen.

Biden zeichnete Stoltenberg mit der Presidential Medal of Freedom aus, der höchsten zivilen Auszeichnung Amerikas. Im Vergleich vor allem zum desaströsen TV-Duell vor Kurzem gegen Donald Trump hatte der Präsident nach Ansicht der meisten Beobachter einen guten Auftritt. Mit Spannung wird nun besonders seine Pressekonferenz am Ende des Treffens der Allianz am Donnerstag erwartet, weil er dann spontan antworten muss, wohl auch auf Fragen nach seiner Gesundheit.

In den USA wird seit der Fernsehdebatte über seine Eignung für eine erneute Kandidatur und eine mögliche zweite Amtszeit diskutiert. Bisher haben sich jedoch aus seiner Demokratischen Partei nur einige Kritiker öffentlich gegen seine Bewerbung ausgesprochen. Biden hatte zuletzt immer wieder versichert, dass er nicht zurückziehen werde. Beim Nato-Gipfel versucht er, den entschlossenen Weltpolitiker zu geben; am Mittwoch wird Biden die Staats- und Regierungschefs der Nato-Länder zu einem Galadinner im Weißen Haus empfangen. Für Mittwoch war außerdem ein bilaterales Gespräch mit Großbritanniens neuem Premier Keir Starmer geplant, für Donnerstag ist eine Begegnung mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij vorgesehen.

In seiner Rede zitierte Biden den früheren US-Präsidenten Ronald Reagan, einen Republikaner: „Wenn ihr euch bedroht fühlt, fühlen wir uns bedroht. Wenn ihr nicht in Frieden seid, können wir nicht in Frieden sein.“ Biden will damit offenkundig zeigen, wie sich die Republikanische Partei unter Donald Trump verändert hat. Mithilfe von Trumps Verbündeten im Kongress wurde ein Hilfspaket für die Ukraine lange verzögert, auch ließ der Republikaner für den Fall seines Sieges starke Zweifel an künftiger Bündnistreue aufkommen. Trump machte am Dienstag während der Nato-Veranstaltung Wahlkampf in Florida, in Umfragen vor den amerikanischen Präsidentschaftswahlen am 5. November führt er.

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