Nato in der Krim-Krise:Druck auf Deutschland

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Das Bündnis will den drei baltischen Staaten, aber auch Polen demonstrieren, dass sie jederzeit mit dem Beistand des Bündnisses rechnen können. Deutschland hat auf den Wunsch der Russland-Anrainer bisher jedoch auffallend zurückhaltend reagiert. (Foto: REUTERS)

Demonstrative Unterstützung für das Baltikum und Polen: Die Mehrheit der Nato-Mitglieder setzt sich für eine stärkere Militärpräsenz an der Ostgrenze des Bündnisses ein. Deutschland war bisher zurückhaltender - aus Angst vor einer weiteren Eskalation. Doch das scheint sich jetzt zu ändern.

Von Robert Roßmann

Martin Erdmann ist nicht für kesse Zuspitzungen bekannt. Der Mann arbeitet seit 32 Jahren im Auswärtigen Dienst, seit 2010 als deutscher Botschafter bei der Nato. So jemandem wird das Diplomatische irgendwann zur Wesensart. Umso erstaunlicher ist die Klarheit des Berichts zur deutschen Lage, den Erdmann jetzt nach Berlin gekabelt hat. "Viele Alliierte bewerten das russische Vorgehen als historische Zäsur und Zeitenwende für die euro-atlantische Sicherheitsarchitektur", schreibt Erdmann.

In der Ukraine-Krise werde "in besonderer Weise auf uns geschaut". Es stelle sich die Frage: "Wie verhalten sich die Deutschen in dieser aus Sicht der osteuropäischen Hauptstädte existenziellen Krise?" Die Antwort werde "fühlbare Auswirkungen" auf die "deutsche Führungsrolle" in bestimmten Bereichen der Nato haben. Erdmann ist offensichtlich der Ansicht, dass sich Deutschland bisher zu wenig engagiert - und damit gefährlich isoliert.

Die Mehrheit der Nato-Mitglieder, unter ihnen die USA, setzt sich für eine stärkere Militärpräsenz der Allianz an ihrer Ostgrenze ein. Das Bündnis will den drei baltischen Staaten, aber auch Polen demonstrieren, dass sie jederzeit mit dem Beistand des Bündnisses rechnen können. Alle vier Staaten haben eine Grenze zu Russland. Seit der Annexion der Krim sind ihre Sorgen deshalb besonders groß.

Deutschland hat auf diesen Wunsch der Russland-Anrainer bisher jedoch auffallend zurückhaltend reagiert. Vor einer Woche erklärte Ursula von der Leyen zwar, dass es für die Bündnispartner an der Ostgrenze wichtig sei, "dass die Nato Präsenz zeigt".

Anschließend musste sich die CDU-Frau für diese Äußerung aber gewaltig rechtfertigen. SPD-Chef Sigmar Gabriel kanzelte seine Kabinettskollegin öffentlich ab. Von der Leyen habe eine Debatte begonnen, "die nicht ansteht", sagte Gabriel. Man sei nicht in einer Situation, in der Nato-Mitglieder mit militärischen Mitteln zeigen müssten, dass sie zu ihrem Bündnis stünden. Die Ministerin solle besser darauf achten, "dass nirgendwo der Eindruck entsteht, wir würden mit militärischen Optionen auch nur gedanklich spielen".

Auch der SPD-Wehrexperte Rainer Arnold ging von der Leyen hart an. "Ich würde mir eigentlich wünschen, dass die Verteidigungsministerin sich um die Verteidigungspolitik kümmert, weil wir einen Außenminister haben, der die außenpolitischen Fragen mit dem gebotenen, klugen Händchen schon leistet", ätzte Arnold.

Dass es so einfach nicht ist, zeigt der Bericht des deutschen Nato-Botschafters, den der Spiegel am Wochenende publik machte. An diesem Dienstag kommen die Nato-Außenminister in Brüssel zusammen, um über die Ukraine-Krise zu beraten. Und von Frank-Walter Steinmeier wird erwartet, auch etwas auf den Tisch zu legen.

Der Außenminister ist damit in eine unangenehme Rolle zwischen Bündnis- und Genossen-Treue geraten. Schließlich stehen Steinmeiers Sozialdemokraten einer stärkeren Militärpräsenz außerordentlich skeptisch gegenüber - siehe Gabriel und Arnold. Wie unglücklich der Außenminister über seine Lage ist, konnte man bereits am Freitag erleben. Steinmeier hatte seinen Kollegen aus Katar zu Gast; bei der anschließenden Pressekonferenz wurde er zur Kritik an der Zurückhaltung Deutschlands gefragt. Für seine Verhältnisse reagierte Steinmeier ungewöhnlich verschnupft. Er halte überhaupt nichts davon, schon vor dem Nato-Treffen "in ein öffentliches ,Blame Game', wer mehr oder wer weniger in der Lage zu leisten ist", einzutreten, schimpfte der Minister. Er verstehe nicht, warum solche Debatten in die Öffentlichkeit getragen würden. Dazu sei die Lage zu ernst.

Im Außenministerium verweisen sie darauf, dass Deutschland gar nicht so isoliert sei, wie es interessierte Kreise in Brüssel streuen würden. Die Niederländer oder auch die Süd-Länder sähen es doch ähnlich wie Berlin. Zudem gebe es nicht nur in der SPD, sondern auch in der Union Friktionen: Die CSU habe gewaltige Probleme mit von der Leyens Kurs. Außerdem befürchtet man im Auswärtigen Amt, dass die Nato bald noch mehr als das jetzt in Rede Stehende fordern könnte - etwa eine direkte bilaterale Militärhilfe Deutschlands für die baltischen Staaten.

Keine funktionsfähige Luftwaffe

Bisher geht es in Brüssel lediglich um eine Intensivierung der bereits bestehenden Militärpräsenz - aber nicht um neue Maßnahmen oder gar um die Entsendung von Soldaten an die Grenze. Viele hatten von der Leyens Äußerung in dieser Hinsicht missverstanden, die Ministerin hat das wortreich klarstellen müssen. Zur Debatte steht jetzt vor allem eine stärkere Luftraumüberwachung über den baltischen Staaten und Polen. Außerdem geht es um ein Nato-Manöver in der Ostsee.

Keiner der drei baltischen Staaten besitzt eine eigene funktionsfähige Luftwaffe. Deshalb übernehmen schon seit Jahren die Nato-Partner abwechselnd die Sicherung des Luftraums, 2013 war turnusmäßig auch Deutschland beteiligt. Dieses "Air Policing" soll jetzt deutlich ausgebaut werden - es sollen also mehr Flugzeuge in einer größeren Frequenz den Luftraum kontrollieren. Außerdem erwägt die Nato, die Zahl der Awacs-Überwachungsflüge nahe der ukrainischen Grenze zu erhöhen. Beiden Maßnahmen will sich die Bundesregierung jetzt nicht mehr verschließen. Sobald es eine politische Entscheidung gebe, "könnte die Bundeswehr sich an Flügen zur Luftraumüberwachung mit Awacs-Maschinen über Rumänien und Polen sowie an Trainingsflügen im Rahmen des Air Policing über den baltischen Staaten beteiligen", sagte eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums am Sonntag. Dabei soll es angeblich um bis zu sechs Eurofighter gehen. Außerdem könnte sich Berlin mit einem Führungsschiff an dem geplanten Nato-Manöver in der Ostsee beteiligen.

Es seien also nur "verstärkte Routine-Operationen" geplant, versichern sie im Auswärtigen Amt. Deutschland wolle eben "kein Zeichen der Eskalation nach Moskau senden", der Konflikt dürfe nicht auf die militärische Ebene gezogen werden. Es gehe vielmehr um ein Symbol: Berlin wolle den Balten zeigen, dass auch Deutschland zu seiner Beistandspflicht stehe.

© SZ vom 31.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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