Als Teil der Nato-Strategie zur Abschreckung Russlands will die Bundeswehr im kommenden Jahr Kampftruppen nach Litauen verlegen. "Das Bataillon wird im Frühjahr 2017 aufwachsen und soll noch im ersten Halbjahr einsatzbereit sein", sagte Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen in einem Interview der Nachrichtenagentur Reuters. "Wir liegen sehr gut im Zeitplan."
Bei einem Besuch in Litauens Hauptstadt Vilnius im September hatte von der Leyen sich von den Vorbereitungen für die deutschen Soldaten überzeugt. In den kommenden vier Monaten übernimmt die Bundeswehr zusammen mit der französischen Armee bereits die Nato-Luftraumüberwachung über Estland, Lettland und Litauen.
Die geplante Verlegung von Truppenverbänden in die Region soll den Beschluss des Nato-Gipfeltreffens vom Juli umsetzen. Die multinationalen Bataillone sollen Russland von einem Angriff auf Polen oder das Baltikum abhalten - eine Befürchtung, die die Ostsee-Anrainer seit dem bewaffneten Konflikt in der Ukraine umtreibt: Alle Staaten grenzen direkt an russisches Territorium - entweder an den größten Flächenstaat der Erde oder an die Exklave Kaliningrad. Umfragen zufolge sehen bis zu sechzig Prozent der Bevölkerung die russische Außenpolitik als Bedrohung für ihr Land an.
Insgesamt will die Nato von 2017 an je 1000 Soldaten nach Estland, Lettland, Litauen und Polen schicken. Die Bundeswehr soll mit 450 Soldaten den neuen Truppenverband in Litauen anführen. Zugleich schickt Kanada ein Bataillon nach Lettland, "sobald der Schnee geschmolzen ist", wie es der lettische Botschafter in Kanada, Karlis Eihenbaums, umschreibt.
Eine permanente Stationierung wagt die Nato nicht
Die Truppen sollen immer wieder ausgetauscht werden, da eine permanente Stationierung die Nato-Russland-Grundakte von 1997 gefährden würde: Die Absichtserklärung schreibt den "Verzicht auf die Androhung oder Anwendung von Gewalt gegeneinander oder gegen irgendeinen anderen Staat, seine Souveränität, territoriale Unversehrtheit oder politische Unabhängigkeit" fest. Aus der Sicht von Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg geht die geplante Verlegung mit der Akte konform, da die Truppen keine "substanzielle Größe" hätten.
Jedoch zeichnet sich seit der Ukraine-Krise 2014 ein Wettrüsten Russlands mit der Nato im Baltikum ab. Litauen hat nach Russlands Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim seinen Militäretat jährlich um ein Drittel erhöht, Lettland hat seinen Wehretat fast verdoppelt.
Statt über Abrüstung zu verhandeln, bestellen die Litauer Waffen
Eine von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) angeregte Wiederbelebung der Abrüstungsgespräche mit Russland wiesen die baltischen Außenminister zurück: zu groß das Misstrauen gegenüber der benachbarten Streitmacht. Tatsächlich ist in russischsprachigen Medien immer wieder zu lesen, Russland plane einen Fliegerhorst in seinem befreundeten Nachbarstaat Weißrussland.
Litauen schickte Anfang September einen Rüstungsauftrag in Höhe von 12,5 Millionen Euro in die Bundesrepublik: Der deutsche Waffenkonzern Heckler & Koch soll die litauische Armee mit Sturmgewehren des Typs G36 ausrüsten. Die Streitkräfte nutzen das in Deutschland oft bemängelte Gewehr seit 2007.