Nato-Gipfel:Erdoğan fordert versöhnliche Geste von Merkel

NATO Holds Warsaw Summit

"Ihre Hände sind so kalt", sagte Präsident Erdoğan zur Begrüßung. Ähnlich frostig dürfte das weitere Gespräch mit Kanzlerin Merkel verlaufen sein.

(Foto: Getty Images)

Am Rande des Nato-Gipfels wollen die Bundeskanzlerin und der türkische Präsident die Wogen glätten, die die Armenien-Resolution und das Incirlik-Problem verursacht haben. Aber die Atmosphäre bleibt frostig.

Von Daniel Brössler, Warschau

Der Präsident muss ein bisschen warten, was die Stimmung schon mal nicht hebt. Als die Kanzlerin erscheint, erhält sie zur Begrüßung kaum ein Lächeln, aber einen längeren Händedruck für die Kamera. Danach setzen sich Recep Tayyip Erdoğan und Angela Merkel in einem der kleinen Besprechungsabteile im Warschauer Nationalstadion zu einem Gespräch, das nicht angenehm zu werden verspricht. Es ist die erste Begegnung zwischen Kanzlerin und Präsident seit Verabschiedung der Resolution, in der der Bundestag von einem Völkermord an den Armeniern im Osmanischen Reich spricht.

"Waren Sie draußen?", fragt Erdoğan missmutig. "Warum?", entgegnet Merkel überrascht. "Ihre Hände sind so kalt", murmelt der Präsident. Nein, erläutert die Kanzlerin, schuld sei die Klimaanlage. Es sei kalt. Das kurze Geplänkel verschafft eine Ahnung von der vermutlich eher frostigen Atmosphäre im weiteren Verlauf des Gesprächs.

Die Begegnung am Rande des Warschauer Nato-Gipfels ist nicht zuletzt einem Problem gewidmet, das Merkel gerne aus der Welt schaffen würde. Im Bundestag herrscht Empörung über die Türkei, weil die Regierung in Ankara einem Parlamentarischen Staatssekretär des Verteidigungsministeriums und weiteren Abgeordneten einen Besuch bei 240 deutschen Soldaten auf dem türkischen Luftwaffenstützpunkt Incirlik verweigert hat.

Besuche deutscher Politiker auf der Basis würden derzeit "nicht als passend erachtet", hatte Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu wissen lassen - eine Folge der Verärgerung Erdoğans über die Armenien-Resolution des Bundestages. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen wurde Anfang des Monats zwar trotzdem vorgelassen. Ein Ende des Besuchsverbots für die Parlamentarier konnte aber auch sie nicht erwirken. Man bleibe "im Gespräch", blieb ihr nur zu verkünden.

Im Gespräch in Warschau fordert Erdoğan nach Darstellung aus dem türkischen Präsidialamt zwar keine Entschuldigung für die Resolution, aber doch eine "Geste". Merkel solle öffentlich deutlich machen, dass die Resolution nicht die offizielle deutsche Position wiedergebe. Dann könne man auch das Incirlik-Problem lösen.

"Wir haben alle anstehenden Fragen besprochen", sagt Merkel im Anschluss knapp. Die Gesprächsatmosphäre sei konstruktiv gewesen und "sehr sachlich im Bemühen bestehende Fragen zu lösen". Aber: "Dissense sind ja durch so ein Gespräch nicht weg. Aber ich glaube, es war wichtig, dass wir gesprochen haben." Ein Durchbruch klingt anders.

Misslich für Merkel

Dabei kommt der Streit kommt für die Bundeskanzlerin zur Unzeit. Der Nato-Gipfel hat entschieden, Awacs-Aufklärungsflugzeuge des Bündnisses für den Kampf gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" zur Verfügung zu stellen. Sie sollen sie in den Luftraum des Irak und Syriens spähen - und zwar von der Türkei aus. Dafür wird ein Mandat des Bundestages benötigt. Gäbe es dabei wegen des Incirlik-Streits Schwierigkeiten, wäre das misslich für Merkel.

Allerdings ist es in Warschau nicht nur Erdoğan, der Unmut spüren lässt. Er bekommt ihn auch selber zu spüren. Beim Essen am ersten Gipfelabend hatte US-Präsident Barack Obama viel über die Werte gesprochen, welche Nato-Staaten verbinden. Direkte Kritik äußerte er nicht, aber neben dem gastgebenden polnischen Präsidenten Andrzej Duda durfte sich auch der zunehmend autokratisch regierende Türke angesprochen fühlen.

Jedenfalls muss der Erdoğan eine diplomatische Ohrfeige einstecken. Er würde gerne den Nato-Gipfel in zwei Jahren in der Türkei abhalten lassen. Doch eine Reihe von Staaten lässt ihn abblitzen. Entschieden wird schließlich nur, dass im kommenden Jahr ein Nato-Gipfel in Brüssel abgehalten werden soll, um das neue Hauptquartier feierlich zu eröffnen. Wo der Gipfel 2018 stattfindet, bleibt jedoch offen.

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