Nato-Gipfel:Der Widerspenstigen Zähmung

Das hat es in der Geschichte der Nato noch nicht gegeben: Frankreich und Deutschland vereiteln die Bush-Pläne zur Nato-Erweiterung und kippen damit eine eherne Regel: dass die Bündnispartner alles abnicken, was Washington wichtig ist. Diese Niederlage der USA wird die Nato verändern.

Martin Winter

Nun ist der Nato-Gipfel in Bukarest doch noch ein historischer geworden - freilich ganz anders, als die USA und die osteuropäischen Mitglieder sich das vorgestellt hatten. Anstatt die Allianz mit einem Schlag bis an die russische Grenze zu erweitern, hat Amerika in Bukarest seine unumschränkte Führungsrolle eingebüßt.

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(Foto: Foto: AFP)

Der von Frankreich und Deutschland organisierte und geschickt durchgehaltene Widerstand gegen die Politik von Präsident George W. Bush ist ohne Beispiel in der neunundfünfzigjährigen Geschichte der Allianz. Die bislang eherne Regel gilt ab jetzt nicht mehr, die besagt, dass die Bündnispartner den USA in allem folgen, was Washington wichtig ist.

Die Erfahrung von Bukarest wird die Balance in der Nato langfristig verändern. Es wird zwar eine Weile dauern, bis in allen Köpfen angekommen ist, was es bedeutet, den Kurs der Allianz auch gegen den Willen der Amerikaner zu bestimmen. Aber verhindern können die USA das nicht mehr. Der Geist ist aus der Flasche. Der Beweis ist geführt, dass es im Bündnis auch anders gehen kann.

Bush hat als erster US-Präsident die bittere Erfahrung machen müssen, dass weder die Einforderung von Gefolgschaft noch die Erhöhung des politischen Drucks noch funktionieren. Bushs Nachfolger werden lernen müssen, damit zu leben. Für das Bündnis ist das gut. Es rückt jetzt, nach Bukarest, endlich dem Ideal ein wenig näher, das immer beschworen wurde, aber bis heute nie Wirklichkeit war: einer echten Partnerschaft.

Natürlich ist die Nato damit noch keine Allianz von Gleichen. Die USA sind und bleiben die stärkste Macht, und deswegen werden sie auch in Zukunft die gewichtigste Stimme am gemeinsamen Tisch haben. Aber seit sich zehn westeuropäische Staaten gegen die Politik der USA gestellt haben, gibt es eine Blaupause für die Schaffung eines Gegengewichts.

Frankreich und Deutschland haben dabei eine besondere Rolle gespielt; diese reicht über den Fall Ukraine weit hinaus. Der Auftritt der beiden Länder, die in der EU ja schon als ein erprobtes Paar agieren, war bemerkenswert. Auch dies wird das Gesicht der Nato verändern - nicht radikal, aber nachhaltig.

Aus Bukarest nehmen die Staats- und Regierungschefs noch zwei weitere Erkenntnisse mit nach Hause. Zum einen lösen Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier Deutschland allmählich aus den außenpolitischen Verklemmungen der Vergangenheit. Berlin betreibt eine zunehmend selbstbewusste Außenpolitik, die sich an deutschen Interessen orientiert. Und die deswegen erfolgreich ist, weil sie es vermeidet, in die Falle der alten anti-amerikanischen oder anti-russischen Reflexe zu geraten, die so lange die deutsche Politik behindert haben.

Frankreich kündigt Rückkehr ins Bündnis an

Die zweite Erkenntnis betrifft die neue Rolle Frankreichs in der Nato. Präsident Nicolas Sarkozy hat die Rückkehr seines Landes in die militärischen Strukturen des Bündnisses angekündigt, die Charles de Gaulle 1966 verlassen hatte, um sich von amerikanischer Bevormundung zu befreien. Bedeutend an Sarkozys Absicht sind indes nicht die militärischen Auswirkungen. Die französische Armee ist schon heute fast überall dabei.

Bedeutend ist, dass sich Sarkozy mit diesem Schritt eine aktive Rolle bei der Gestaltung der modernen Nato sichern will. Das macht Sinn, denn Sicherheitspolitik bestimmt die internationalen Beziehungen wie vorher nur zu Zeiten des Kalten Krieges.

Dass Paris sich in der Nato nun mit einer deutsch-französischen Gemeinschaftsaktion zurückmeldet, um ein Vorhaben der USA zu blockieren, ist kein Zufall. Es markiert den Beginn einer Entwicklung, welche die Nato grundlegend verändern könnte. Vor Jahren träumte Ex-Außenminister Joschka Fischer einmal von einem "europäischen Pfeiler" in der Allianz, um dem nordamerikanischen Gewicht etwas entgegensetzen zu können. Zusammen haben Frankreich und Deutschland jetzt die Chance, daraus Realität werden zu lassen.

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