Osteuropa:14 Jahre auf Schutzsuche

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Gemeinsamer Einsatz: Soldaten der USA und Georgiens, hier bei einer Militärübung nahe Tiflis im Jahr 2016. (Foto: Zurab Kurtsikidze/dpa)

Keine Osterweiterung mehr? Die Nato widerspricht Russlands Forderung. Doch Georgien wartet schon lange darauf, dass die Allianz ihr altes Versprechen auf einen Beitritt einlöst.

Von Frank Nienhuysen, München

Fast 14 Jahre ist eine lange Zeit, wenn man ungeduldig ist. Anfang April 2008 machte die Nato nicht nur der Ukraine, sondern auch dem Kaukasusland Georgien ein großes Versprechen, nämlich "dass diese beiden Länder Mitglieder der Nato werden". So sagte es damals deren Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer. Aber einen Zeitrahmen, nicht mal so ungefähr, nannte er nicht. Denn die zugesagte Aussicht auf Mitgliedschaft war in der Allianz umstritten, deshalb blieb sie aus Sicht der Kritiker wenigstens sehr vage.

Vor allem US-Präsident George Bush wollte Georgien zügig in der Nato haben, vor allem Deutschland mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreich wollten es allerdings nicht; sie hielten es für verfrüht. Seitdem hat die Nato ihre Beitrittszusage an Georgien immer wieder erneuert und doch genauso oft einen konkreten Zeitplan vermieden und das Land vertröstet - stets versüßt mit einem großen Lob an die Fortschritte in Tiflis. Gibt es nun doch sehr bald eine Entscheidung?

Ginge es nach Russland, würde es sie geben - in seinem Sinne. Moskau drängt die Nato, die Zusagen von einst rückgängig zu machen und auf jegliche Osterweiterung zu verzichten, festgehalten in einem schriftlichen Dokument. Das besorgte Georgien hat sich seitdem mehrmals vergewissern können, dass der Westen zu seinem Wort steht. Dennoch hat sich der diplomatische Austausch zuletzt beschleunigt.

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Vizepremier und Außenminister David Zalkaliani ist am Montag ins Nato-Hauptquartier nach Brüssel zu einem Gespräch mit Generalsekretär Jens Stoltenberg gereist, zuvor hatte er bereits mit der US-Vizeaußenministerin Karen Donfried telefoniert und dabei "identische Auffassungen" über die Sicherheitslage ausgemacht. Russland versuche, "Europa zu teilen und seine Einflussgebiete durch Gewaltandrohungen und aggressive Rhetorik zu legitimieren", sagte Zalkaliani, "dies ist absolut inakzeptabel." Georgien sei dabei auch solidarisch mit der Ukraine.

Eka Akobia, Professorin an der Universität in Tiflis, sagte der georgischen Nachrichten-Website civil.ge, dass ein von Russland vorgeschlagener schriftlicher Sicherheitsvertrag "eine Art dokumentierte Absurdität" sei, nicht nur, weil er unrealistisch sei; dies würde auch den Prinzipien der Charta der Vereinten Nationen widersprechen, sagte sie. Die ehemalige georgische Verteidigungsministerin Tina Khidascheli sagte, dass die einfachste und klarste Antwort des Westens sein müsse, "nicht neue Versprechen zu machen, sondern alte einzulösen". Andernfalls drohten "noch dramatischere Szenarien" als die im August 2008 und sechs Jahre später in der Ukraine.

Georgien und Russland führten damals einen Fünf-Tage-Krieg. Diesen hatte Russland nach einem Bericht der EU-Kommission provoziert, und Georgien unter dem damaligen Präsidenten Michail Saakaschwili dann begonnen. Seitdem hat Tiflis die Kontrolle über die Gebiete Südossetien und Abchasien komplett verloren. Russland gilt als deren Schutzmacht.

Washington sorgt sich um Georgiens Demokratie

Anders als in der Ukraine hat es in der georgischen Bevölkerung seit vielen Jahren eine recht große Mehrheit für einen Nato-Beitritt gegeben. Praktisch ist die Zusammenarbeit zwischen Tiflis und der Allianz seit den Neunzigerjahren immer enger geworden. Georgien beteiligte sich am Kosovo-Einsatz, es schickte unter den Nicht-Nato-Mitgliedern eines der größten Truppenkontingente zur Isaf nach Afghanistan und ist bei diversen Nato-Manövern dabei. Die Kooperation mit der Allianz umfasst viele Namen, Gremien, Komitees, darunter das Substantial Nato-Georgia Package, mit dem Georgien noch näher an das Verteidigungsbündnis herangeführt werden soll. Allein: alles bisher unterhalb der Mitgliedschaft.

Außer der Ungeduld in Georgien hat sich ausgerechnet in den vergangenen Monaten im Westen auch Frust vermehrt. Die USA und die EU sorgen sich um die demokratische Entwicklung unter der Regierung der Partei Georgiens Traum. Washington hatte Tiflis bereits aufgefordert, im Fall des inhaftierten Ex-Präsidenten Michail Saakaschwili einen fairen Umgang zu garantieren, der den georgischen Behörden Folter und Misshandlung vorgeworfen hat.

Anfang Januar kritisierte die US-Botschaft in Tiflis, dass ein neues Gesetz die Unabhängigkeit von Richtern und das Vertrauen in die Justiz untergrabe und dass es allzu schnell und "ohne angemessene Beratungen" durchgezogen worden sei. "Schritte, die demokratische Institutionen schwächen, schädigen Georgiens Streben nach einer Nato- und EU-Mitgliedschaft", heißt es in dem Schreiben der US-Botschaft.

Der Chef der Regierungspartei, Irakli Kobachidze, wies die Kritik als unfair zurück. Doch auch die von civil.ge zitierte Professorin Eka Akobia sagte, das Beste, was Georgien jetzt tun könne, sei, sich daheim auf Fortschritte in der Demokratie zu konzentrieren. Das würde es dem Westen auch leichter machen, Georgiens Interessen zu schützen.

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