Nato-Generalsekretär Stoltenberg bei Merkel:Offensive der Freundlichkeit

German Chancellor Merkel greets NATO Secretary General Stoltenberg at Chancellery in Berlin

Küsschen zur Begrüßung: der neue Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg mit Kanzlerin Angela Merkel in Berlin.

(Foto: REUTERS)

Nato-Generalsekretär Stoltenberg stößt in Berlin auf viel Sympathie. Der Norweger tritt nicht so hart auf wie sein Vorgänger Rasmussen. Umso unangenehmer ist es für die Regierung Merkel, dass Stoltenberg ähnliche Ansprüche an Deutschland stellt.

Von Stefan Braun und Christoph Hickmann, Berlin

In diesem Kopfnicken, dieser freundlichen Geste der Einigkeit, sind sich Angela Merkel und Jens Stoltenberg sehr nah. So wie sich die Bundeskanzlerin und der Nato-Generalsekretär an diesem Mittwoch in Berlin ohnehin mit vielen Worten umschmeicheln.

Als beide nach ihrem Treffen gemeinsam auftreten, sagt Merkel: "Wir wissen, dass die Nato vor großen Herausforderungen steht." Stoltenberg sagt: "Danke für die starke Unterstützung in meiner neuen Aufgabe." Merkel sagt: "Deutschland fühlt sich verpflichtet, seine Solidarität zu beweisen."

Stoltenberg sagt: "Ich schätze den deutschen Beitrag für die gemeinsame Sicherheit sehr." Da mögen sich zwei, da wollen zwei zusammenarbeiten. Da gibt es scheinbar keine Probleme.

Das stimmt so aber nicht. Seit die Welt rund um den Ukraine-Konflikt und die Kriege im Nahen Osten gefährlicher geworden ist, wird nicht zuletzt von der Nato aus Brüssel der Ruf nach mehr Verteidigungsausgaben lauter. Solange das noch der damals scheidende Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen forderte, konnten viele, denen das nicht gefiel, darauf hoffen, dass seine Rufe mit seinem Abschied aus dem Amt verhallen würden.

Doch seitdem der Norweger Stoltenberg im Amt ist, gewinnen die Worte des Generalsekretärs an Gewicht - zumal Stoltenberg längst nicht so hart auftritt wie sein Vorgänger. Umso unangenehmer ist es für die deutsche Regierung, dass dieser Mann bei seinem Anspruch an Deutschland ganz ähnlich klingt wie Rasmussen.

Seinen Antrittsbesuch in Berlin leitete Stoltenberg mit einem Interview ein, in dem er erklärte, Deutschland müsse bei der Rüstung eine Vorreiterrolle einnehmen und mehr investieren.

So gesehen war die Freundlichkeit auf persönlicher Ebene sicherlich echt, aber auch eine Tarnung für jene Debatten, die Stoltenberg mit der Bundesregierung noch bevorstehen werden. Dass ihm das bewusst ist, mochte Stoltenberg nicht verbergen.

"Deutschland ist ein Schlüsselland", betonte er an Merkels Seite, "Deutschland übernimmt an vielen Stellen Führung in Europa. Deshalb setzen wir darauf, dass Deutschland auch bei den Investitionen in die Rüstung diese Rolle übernimmt wird."

Der Gast dringt auf die Erhöhung des Verteidigungsetats

Die Kanzlerin reagierte darauf - so gut wie gar nicht. Sie erneuerte die Zusage, dass Deutschland die Vereinbarungen vom Nato-Gipfel in Wales einhalten werde. Dass das auf Dauer aber bedeuten würde, den Anteil der Militärausgaben am Bruttoinlandsprodukt deutlich zu erhöhen, mochte sie konkret wohl nicht mehr erwähnen.

Nato-Generalsekretär Stoltenberg bei Merkel: Man mag sich, man läuft synchron: Kanzlerin Angela Merkel heißt Jens Stoltenberg mit militärischen Ehren willkommen.

Man mag sich, man läuft synchron: Kanzlerin Angela Merkel heißt Jens Stoltenberg mit militärischen Ehren willkommen.

(Foto: John MacDougall/AFP)

Stoltenberg hingegen war zuvor bereits im Verteidigungsausschuss des Bundestags konkret geworden. Drei Forderungen hatte er vor den Abgeordneten skizziert: Erstens müsse die Nato sich selbst ertüchtigen und stark halten - also mehr miteinander üben. Zweitens müsse die Nato ihre Nachbarn stabilisieren, um diese abzusichern.

Drittens müssten die Mitgliedstaaten mehr investieren. Deutschland als großes Land mit einer guten wirtschaftlichen Entwicklung müsse hier mit gutem Beispiel vorangehen, sagte Stoltenberg sinngemäß laut Teilnehmern. Die Wehretats der Nato-Staaten müssten mittelfristig in Höhe des Wirtschaftswachstums steigen, langfristig müsse man dann das alte Nato-Ziel erreichen, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in den Verteidigungshaushalt zu stecken.

Die USA übertreffen dieses Ziel deutlich, während die allermeisten anderen Staaten, darunter Deutschland mit 1,3 Prozent, unter dieser Marke bleiben.

Forderungen, wiederholt auf der Bundespressekonferenz

Nach dem Auftritt mit Merkel stellte Stoltenberg sich noch der Bundespressekonferenz und wiederholte seine Forderungen: Das Zwei-Prozent-Ziel solle innerhalb des nächsten Jahrzehnts erreicht werden.

Und während der Generalsekretär sich in Berlin präsentierte, übernahm Deutschland an anderer Stelle bereits mehr Verantwortung in der Nato: Das deutsch-niederländische Korps in Münster erhielt am Mittwoch das Kommando über die bisherige schnelle Eingreiftruppe des Bündnisses. Daraus soll die sogenannte Speerspitze entstehen, die innerhalb weniger Tage auf Krisen reagieren kann.

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