Süddeutsche Zeitung

Nato:"Die ungerechtfertigte Invasion in Syrien"

Lesezeit: 2 min

Von Matthias Kolb, Brüssel

Bei ihrer ersten Teilnahme an einem Nato-Verteidigungsministertreffen hat CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer verhaltene Reaktionen für ihren Syrien-Plan erhalten. Öffentlich stellte sich kein Land hinter den Vorschlag einer international kontrollierten Schutzzone, den Kramp-Karrenbauer in Gesprächen erläuterte. Ausführlich sprach sie in Brüssel mit dem türkischen Verteidigungsminister Hulusi Akar, der ihr versichert habe, dass Ankara "an einer Einbeziehung der internationalen Gemeinschaft" interessiert sei. Dies reichte für Kramp-Karrenbauer aus, die ersten Schritte als "sehr ermutigend" zu bezeichnen - auch wenn noch "ein schwieriger Prozess" vor allen Beteiligten liege. Sie sei sich mit Paris und London einig, dass das türkisch-russische Abkommen von Sotschi "keine dauerhafte Basis für eine politische Lösung" sei, sagte sie. Die CDU-Chefin begrüßte es, dass das Europaparlament nun die Einrichtung einer Schutzzone in Syrien unter Aufsicht der Vereinten Nationen fordert. Zurückhaltend äußerte sich Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Er erklärte, dass alle Mitglieder "UN-geführte Vorschläge für eine politische Lösung" unterstützen würden. Wie es konkret weitergehen kann mit jenem Vorschlag, den Kramp-Karrenbauer am Montag ohne Rücksprache mit der SPD gemacht hatte, bleibt offen.

Der Aussage der Ministerin, ihr türkischer Amtskollege habe versichert, dass es Ankara in Nordsyrien nicht "um ein großes Umsiedlungsprogramm" gehe und "keine Säuberungen" geplant seien, widersprechen Agenturmeldungen. Demnach sagte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan kurz zuvor vor Bezirksgouverneuren: "Wir werden gewährleisten, dass ein bis zwei Millionen Flüchtlinge aus unserem Land in die gesicherten Regionen zurückkehren."

Diplomaten geben Trump Mitschuld an der Lage

Deutlich äußerte sich US-Verteidigungsminister Mark Esper. Er erklärte, den deutschen Vorschlag "noch nicht im Detail studiert" zu haben. Prinzipiell sei es positiv, wenn sich die Europäer engagierten, sagte der Pentagon-Chef und stellte klar: "Wir beabsichtigen nicht, Bodentruppen oder irgendetwas anderes zu dieser Operation beizutragen." Auch sonst übermittelt der Gast klare Botschaften. "Es kann keine Trittbrettfahrer geben bei unserer gemeinsamen Sicherheit", sagte er und erinnerte die Europäer an ihr Versprechen, bis 2024 zwei Prozent der Wirtschaftsleistung ihres Landes in die Verteidigung zu investieren. Esper hielt beim German Marshall Fund vor Beginn des zweitägigen Nato-Treffens eine Rede, die weitgehend konventionell klang: Die Nato dürfe Afghanistan nicht im Stich lassen, müsse sich mit künstlicher Intelligenz, Überschallwaffen und Cyber beschäftigen und mehr über China reden, befand er. Die Volksrepublik sei längst eine größere Bedrohung als Russland. Wie stürmisch es zugeht in der Allianz, zeigten andere Aussagen Espers. "Die ungerechtfertigte Invasion der Türkei in Syrien" gefährde all jene Fortschritte, die im Kampf gegen die IS-Terrormiliz gemacht wurden, klagte der US-Minister. Die 28 anderen Nato-Partner haben Ankaras Vorgehen scharf verurteilt. Momentan bewege sich die Türkei "in die falsche Richtung", sagte Esper, indem sie sich Moskau zuwende. Ursprünglich sollte das Ministertreffen dazu dienen, das für Anfang Dezember geplante Treffen der Staats- und Regierungschefs der Nato-Staaten in London vorzubereiten. Dass Donald Trump 2018 gedroht hatte, das Bündnis zu verlassen, hat keiner vergessen, weshalb Espers "eisernes" Bekenntnis der USA zur Nato genau registriert wurde. Regelmäßig sieht sich Generalsekretär Stoltenberg mit Fragen konfrontiert: so etwa, ob der Rückzug der US-Soldaten aus Nordsyrien die Einheit der Nato gefährde. Er verweist dann darauf, dass die USA ihr Militär-Engagement in Europa seit Jahren erhöhen. Zugleich ist das Ziel aller, das Londoner Treffen konfliktfrei über die Bühne zu bringen, weshalb Stoltenberg demnächst über gestiegene Militärausgaben berichten will. Am Donnerstagabend warfen die Kurden der Türkei Verstöße gegen die Feuerpause in Nordsyrien vor. Obwohl sich die SDF-Einheiten aus dem gesamten Gebiet, das unter die von der Türkei und Russland getroffene Vereinbarung fällt, zurückgezogen hätten, "verletzen der türkische Staat und die mit ihm verbündeten Terror-Fraktionen den Feuerpausen-Prozess noch immer", erklärte das von den Kurden geführte Rebellenbündnis SDF.

Die staatliche syrische Nachrichtenagentur meldete, türkische Soldaten und ihre Verbündeten hätten syrische Regierungstruppen angegriffen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4654185
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 25.10.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.