Süddeutsche Zeitung

Nato:"Wir können, müssen und werden mehr tun"

Lesezeit: 3 min

Von Daniel Brössler, Washington

Lang braucht Mike Pompeo nicht, um zum Punkt zu kommen. 70 Jahre Nato, das sei "wirklich groß", sagt der amerikanische Außenminister vor dem festlichen Abendessen, "ein Meilenstein". Damals, als 1949 im gleichen Saal in Washington der Nordatlantik-Vertrag unterzeichnet worden sei mit dem "Ziel eines glücklicheren Lebens für alle unsere Bürger", habe es in Großbritannien noch Lebensmittelkarten gegeben. Heute seien sechs der größten Volkswirtschaften der Welt Mitglieder der Nato. "Dieser Wohlstand ist kein Zufall. Er ist Folge der Sicherheit, die die Nato bietet", erläutert der Außenminister in seiner Ansprache. Kurz: Euch geht es gut, weil es die Nato gibt.

Während dieser Worte haben feierlich alle Außenministerkollegen um Pompeo herum Aufstellung genommnen - der deutsche Außenminister Heiko Maas, Zufall oder raffinierte Regie, direkt rechts hinter dem Amerikaner. So ist Maas immer im Bild, während Pompeo spricht. Auch, als der schließlich ganz direkt aufs Geld zu sprechen kommt. Die Verbündeten würden bis Ende 2020 zusätzliche hundert Milliarden Dollar in Verteidigung investieren, lobt er zunächst. "Amerika ist dankbar für diese Anstrengungen, aber wir können und müssen mehr tun." Neutral ist das Wort, das den Gesichtsausdruck des Ministers aus Deutschland in diesem Augenblick am ehesten beschreibt. Wer da gemeint ist, weiß trotzdem jeder.

Heiko Maas bestreitet das auch gar nicht, wenngleich er in Washington mehrmals daran erinnert, dass auch viele andere Nato-Staaten weit entfernt sind vom Zwei-Prozent-Ziel der Nato, wonach alle Mitglieder versuchen sollen, von 2024 an mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) für Verteidigung auszugeben. "Es geht vor allem deshalb um Deutschland, weil es da um das meiste Geld geht", sagt Maas vor Beginn der Arbeitssitzung im US-Außenministerium. Insofern sei "das nachvollziehbar".

Den Eindruck, er nehme den Ruf der Amerikaner nach mehr deutschen Geld nicht ernst, will Maas in Washington vermeiden. Deutschland werde bis 2024 die Verteidigungsausgaben auf 1,5 Prozent des BIP erhöhen, versichert er wieder und wieder. Dass dies aus den Eckwerten der mittelfristigen Finanzplanung seines SPD-Parteifreundes und Finanzministers Olaf Scholz gar nicht abzulesen ist, tut er als eher technisches Problem ab. Und verweist darauf, wie viel Deutschland schon geleistet habe. So habe man die Verteidigungsausgaben seit 2014 um fast 40 Prozent erhöht. Das sei eine "enorme Anstrengung". Hinzu komme: "Dass in Deutschland über Verteidigungsausgaben anders diskutiert wird als in anderen Ländern, hat mit unserer Geschichte zu tun. Das ist auch gut."

Beim Jubiläumstreffen der Nato geht es deshalb vor allem darum, Zweifel zu zerstreuen.

Bei den amerikanischen Gastgebern verfängt das eher nicht. Das wird gleich zu Beginn der ersten Arbeitssitzung wird klar. Alle hätten die Verantwortung, ihren Bürgern klar zu machen, warum mehr Geld für Verteidigung wichtig sei, "um nicht nur die Stärke unserer Länder, sondern auch die Stärke der Allianz zu erhalten". Nur so werde das Bündnis gewappnet sein für neue Herausforderungen. Das lässt sich im doppelten Sinne verstehen. Tatsächlich geht es um mehr Geld für Waffen und Soldaten. Aber es geht auch darum, US-Präsident Donald Trump zufriedenzustellen, der 2018 beim Nato-Gipfel kurz gedroht hatte, die USA könnten ihr "eigenes Ding machen", und der sich schon zahllose Male über die "unfairen" Deutschen beklagt hat. Beim Jubiläumstreffen der Nato geht es deshalb vor allem darum, Zweifel zu zerstreuen.

Auch deshalb ist Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Mittwoch die seltene Ehre zuteil geworden, vor beiden Häusern des Kongresses zu sprechen. Es habe schließlich, warb er da, schon in der Vergangenheit Meinungsverschiedenheiten gegeben, die man überwunden habe.

Das müsse man auch jetzt schaffen. Eine Meinungsverschiedenheit stand im Unterschied zur Lastenteilung zwar nicht auf der Tagesordnung, sorgte aber für mindestens so viel Ärger. Die USA wollen den Kauf des russischen S-400-Raketenabwehrsystems durch die Türkei nicht hinnehmen. "Die Türkei muss wählen: Will sie ein entscheidender Partner des erfolgreichsten Militärbündnisses der Weltgeschichte bleiben, oder will sie die Sicherheit dieser Partnerschaft riskieren, indem sie unverantwortliche Entscheidungen trifft, die dieses Bündnis untergraben", drohte US-Vizepräsident Mike Pence vor dem Treffen. Es werde von den USA dann keine F-35-Kampfjets bekommen.

Solche Streitigkeiten überschatten die 70-Jahr-Feier, sollen sie aber nicht verderben. Helfen soll eine Erklärung, in der das "transatlantische Band" bekräftigt und das Zwei-Prozent-Ziel erneuert wird. "Wir haben erhebliche Fortschritte gemacht, aber wir können, müssen und werden mehr tun", heißt es. Die Sicherheitslage sei "unberechenbar und herausfordernd". So sei Russland "aggressiver geworden" und die Gefahr durch den Terrorismus nicht gebannt. Die Minister bestätigen auch noch einmal ausdrücklich Artikel 5 des Nato-Vertrags. Ein Angriff auf ein Mitglied werde "als Angriff auf alle Verbündeten betrachtet".

Pompeo nutzt seine Abschlusspressekonferenz, um eine Botschaft aus dem Weißen Haus zu überbringen: "Das zusätzliche Geld ist gut investiert und die Staaten sollten stolz auf sich sein. Präsident Trump dankt ihnen dafür. Aber es ist viel mehr Anstrengung nötig."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4396532
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 05.04.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.