Nationalratswahl nach Ibiza-Affäre:Sie wollen regieren

Vier Monate nach dem Bruch der Regierung aus ÖVP und FPÖ stellen sich die Parteien bereits am 29. September vorgezogenen Neuwahlen. Auf diese Köpfe kommt es dabei an.

Von Thomas Balbierer

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Kanzlerin auf Zeit

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Quelle: Ronald Zak/AP

Am 29. September finden in Österreich die vorgezogenen Nationalratswahlen statt. Trotz der unklaren Verhältnisse, die nach der Abstimmung drohen, steht eine Personalie fest: Die parteilose Brigitte Bierlein wird nicht Bundeskanzlerin bleiben. Die ehemalige Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs rückte nach der "Ibiza-Affäre" und dem Bruch der Koalition aus ÖVP und FPÖ übergangsweise an die Spitze der Republik. Ihre Amtszeit, so viel ist sicher, endet nach der Wahl.

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Wer mit wem?

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Quelle: Joe Klamar/AFP

Andere Fragen sind dagegen noch offen. Etwa die nach einer Neuauflage der Koalition aus konservativer ÖVP und rechter FPÖ. FPÖ-Spitzenkandidat Norbert Hofer spricht sich immer wieder dafür aus. Er ist nach dem Rückzug Heinz-Christian Straches der erste Mann bei den Rechtspopulisten. Sebastian Kurz, der für die ÖVP das Kanzleramt zurückgewinnen will, lässt sich derweil keine Festlegung entlocken. Regieren will auch SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner, doch den Sozialdemokraten fehlen aller Voraussicht nach die Machtoptionen - auch wenn Rendi-Wagner im ORF ein Bonmot des SPD-Urgesteins Franz Müntefering bemühte: "Opposition ist Mist." Mitregieren könnten die Sozialdemokraten wohl nur als Kurz' Juniorpartner oder in einem umstrittenen Bündnis mit der FPÖ. Koalitionsentscheidend könnten auch die Ergebnisse der Grünen und der liberalen Neos werden. Peter Pilz mit seiner Liste Jetzt dürfte es schwer haben, noch einmal in den Nationalrat zu kommen.

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Sebastian Kurz, ÖVP

Head of People's Party Kurz delivers a speech in Vienna

Quelle: Leonhard Foeger/Reuters

Die derzeitige Bezeichnung "Altkanzler" würde der 33-jährige ÖVP-Politiker nach der Wahl wohl gerne um die erste Silbe kürzen. Alle Umfragen deuten darauf hin, dass die Konservativen am 29. September wieder stärkste Kraft werden könnten. Sollte es Kurz gelingen, eine Koalition zu bilden, würde der Wiener in seine zweite Amtszeit als Bundeskanzler der Republik Österreich gehen. Bevor er 2017 zum jüngsten Kanzler der österreichischen Geschichte gewählt wurde, hatte Kurz bereits vier Jahre als Außenminister des Landes gedient, zuvor war er Integrationsstaatssekretär.

Während der europäischen Flüchtlingskrise avancierte er zu einem der prominentesten Kritiker von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Als Regierungschef verantwortete er dann auch einen schärferen Kurs in der nationalen Migrationspolitik. Im April 2019 brachten ÖVP und FPÖ eine 6,5 Milliarden schwere Steuerreform auf den Weg. Wenig später platzte das Bündnis jedoch im Zuge der "Ibiza-Affäre". Kurz wurde durch ein Misstrauensvotum im Parlament zu Fall gebracht - an der Abwahl hatte sich auch die FPÖ beteiligt. Im September wurde der Vorwurf laut, Kurz' Partei trickse bei der Verbuchung von Wahlkampfkosten.

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Pamela Rendi-Wagner, SPÖ

SPÖ-Chefin Rendi-Wagner bei Pressekonferenz

Quelle: Herbert Neubauer/dpa

Für die Medizinerin aus Wien wird die Wahl eine heikle Sache. Nach Umfragen hat sie kaum eine Chance aufs Kanzleramt, stattdessen könnte es zwischen ihrer SPÖ und der FPÖ zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen um Platz zwei kommen. Die Sozialdemokraten profitieren kaum vom skandalösen Ende der ÖVP/FPÖ-Regierung. Ein Faktor dürfte sein, dass Spitzenkandidatin Rendi-Wagner in der Bevölkerung nicht so populär ist. Laut Kanzlerfrage würden nur 19 Prozent der Österreicher die 48-Jährige direkt zur Kanzlerin wählen, damit liegt sie noch hinter FPÖ-Mann Hofer, den sich 21 Prozent auf der Spitzenposition wünschen, und weit hinter Sebastian Kurz (42 Prozent).

Aufgeben will die ehemalige Gesundheitsministerin, die 2018 den SPÖ-Vorsitz von Christian Kern übernahm, jedoch nicht. Dem TV-Sender Puls 4 sagte Rendi-Wagner vor Kurzem: "Die SPÖ muss in die Regierung." Da sie zugleich eine Koalition mit der FPÖ ausschloss, bleibt ihr für eine Regierungsbeteiligung wohl nur die ungeliebte große Koalition mit der ÖVP als Option, mit deren Frontmann Kurz sie sich in TV-Duellen heftig zoffte. Im Endspurt des Wahlkampfes setzt die Politikerin unter anderem auf eine "sozial verträgliche" Klimapolitik.

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Norbert Hofer, FPÖ

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Quelle: Alex Halada/AFP

Internationale Aufmerksamkeit erfuhr der 48-Jährige erstmals im Jahr 2016, als er sich in Österreich um das Amt des Bundespräsidenten bewarb. Hofer schaffte es in die Stichwahl gegen den Grünen Alexander Van der Bellen und verlor. Ein Jahr später wurde der gelernte Flugzeugtechniker Verkehrsminister in der türkis-blauen Koalition. Seit einem Unfall beim Paragleiten, bei dem er sich an der Wirbelsäule verletzte, tritt der Politiker in der Öffentlichkeit häufig mit Gehstock auf.

Hofer übernahm nach dem Rücktritt Heinz-Christian Straches im Zuge der "Ibiza-Affäre" die Aufgabe des Bundesparteiobmanns der FPÖ. In dem im Mai von Süddeutscher Zeitung und Spiegel veröffentlichten Video stellte Strache einer vermeintlichen russischen Oligarchen-Nichte Staatsaufträge in Aussicht. Der Skandal fiel bislang kaum auf Hofer zurück, seine Partei liegt in Umfragen stabil um die 20 Prozent. Der bürgerlich auftretende Spitzenkandidat gilt als fleißig, in der Regierung betrieb er - anders als FPÖ-Innenminister Herbert Kickl - vor allem Sacharbeit. Seine Zugehörigkeit zu einer Burschenschaft und die Nähe zu rechtsextremen Kreisen scheinen viele Österreicher nicht zu stören.

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Beate Meinl-Reisinger, Neos

Regierungskrise in Österreich; Regierungskrise in Österreich Meinl-Reisinger

Quelle: Roland Schlager/APA/dpa

Die 41-Jährige Juristin ist seit Juni 2018 Parteivorsitzende der liberalen Neos. Sie pflegt einen forschen und modernen Auftritt und gilt als streitlustig. Über die FPÖ sagte sie einmal, die Partei sei "rassistisch, rechtsextrem" und "neigt zur Korruption". Auch für die Konservativen lässt Meinl-Reisinger wenig Liebe erkennen, die ÖVP sei "einer der wesentlichen Gründe dafür, warum in Österreich nichts weitergeht". Dabei war die Politikerin, die gerne austeilt, bis 2012 selbst Mitglied der Partei.

Im Wahlkampf wirbt Meinl-Reisinger für bessere Bildung, mehr Transparenz in der Politik und ein Einwanderungsgesetz. Außerdem wollen die Neos die Pensionen reformieren und eine CO₂-Steuer einführen - womit die Österreicher sich stark von ihrem deutschen Pendant, der FDP, unterscheiden. Christian Lindners Spruch, die jungen Aktivisten von "Fridays for Future" mögen den Klimaschutz doch bitte den Profis überlassen, nannte Meinl-Reisinger "furchtbar".

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Peter Pilz, Liste Jetzt

SONDIERUNGSGESPRÄCH ÖVP - LISTE PILZ: PILZ

Quelle: Herbert Pfarrhofer/dpa

Peter Pilz ist ein Veteran der österreichischen Politik. Er hat die Grünen mitgegründet, zog 1986 erstmals in den Nationalrat ein und errang bei der Wahl 2017 mit seiner eigenen Liste acht Mandate. Die nun zur "Liste Jetzt" umbenannte Partei muss jedoch um den Wiedereinzug ins Parlament bangen. In den Umfragen liegt sie deutlich unter der Vier-Prozent-Hürde.

Der 65-Jährige hat sich in parlamentarischen Untersuchungsausschüssen einen Namen als "Aufdecker der Nation" gemacht, er war zum Beispiel an der Enthüllung eines österreichischen Baukartells beteiligt. 2017 wurden jedoch Vorwürfe der sexuellen Belästigung gegen ihn erhoben - Pilz legte sein Abgeordnetenmandat zeitweise nieder. Die Ermittlungen wurden im vergangenen Jahr eingestellt, die öffentliche Kritik an seiner erneuten Kandidatur blieb. SPÖ-Frauengeschäftsführerin Andrea Brunner betonte, die Vorwürfe seien "nicht einmal ansatzweise aufgeklärt".

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Werner Kogler, Grüne

Head of Austria's Green Party Kogler addresses a news conference in Vienna

Quelle: Leonhard Foeger/Reuters

Eine krachende Niederlage erlebten die Grünen bei der letzten Nationalratswahl. Sie verloren 8,6 Prozentpunkte und scheiterten am Einzug ins Parlament. Die Neuwahlen sind für die Öko-Partei und ihren Spitzenkandidaten Werner Kogler die Chance auf ein vorgezogenes Comeback. Umfragen sagen ihr konstant ein Ergebnis von deutlich über zehn Prozent voraus.

Kogler weiß, wie man Wählerstimmen gewinnt. Bei der Europawahl im Mai holte er als Spitzenkandidat gemeinsam mit der TV-Köchin Sarah Wiener 14 Prozent. Im zweiten Wahlkampf des Jahres will der Steirer die Grünen als "Partei der Ökologie und Gerechtigkeit" präsentieren und wirbt zum Beispiel für eine CO₂-Steuer. Außerdem setzt er sich für einen Stopp des Autobahnausbaus ein. Die dort gesparten Milliarden sollen demnach in den Schienenverkehr investiert werden. Eine Koalition mit der ÖVP, über die derzeit spekuliert wird, nannte Kogler im ORF "ziemlich unwahrscheinlich".

© SZ.de/odg
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