Am nächsten Sonntag wählen Österreichs Bürger ein neues Parlament, doch eine Entscheidung ist bereits gefallen: Dies war definitiv der schmutzigste Wahlkampf, den das Land je gesehen hat. Abgründe tun sich auf an allen Ecken. Es geht um Lügen und Intrigen, um Bespitzelung und um gezielt gestreute Fake News. Statt über Sozialsysteme oder Steuerkonzepte streiten die Spitzenpolitiker darüber, wer wem wie viel Geld für den Verrat geboten hat. Das ist Schlamm-Catchen nach Wiener Art.
Ob Österreich zur Bananenrepublik wird, war eine fast noch heiter diskutierte Frage rund um die entgleiste Präsidentenwahl 2016. Die musste bekanntlich wegen Regelverstößen bei der Auszählung wiederholt und die Wiederholung verschoben werden, weil die Briefwahlkarten schlecht verleimt waren. Die deutsche Sprache hat das bereichert um den anschaulichen Ausdruck "Bundespräsidentenstichwahlwiederholungsverschiebung", der in Österreich sogleich zum Wort des Jahres gekürt wurde.
Doch jetzt ist endgültig Schluss mit lustig, und Bundeskanzler Christian Kern hat wohl recht, wenn er die Vorgänge in diesem Wahlkampf "demokratiezersetzend" nennt und vom "größten politischen Skandal der Zweiten Republik" spricht.
Die politische Kultur in Wien sinkt in ungeahnte Abgründe hinab
Kerns Glaubwürdigkeit in dieser Causa leidet allerdings ganz entschieden darunter, dass seine SPÖ im Zentrum des Skandals steht. Sie hat schließlich jenen israelischen Wahlkampf-Berater Tal Silberstein fürstlich mit mehr als 500 000 Euro entlohnt, der eine Schmutzkampagne gegen Sebastian Kurz, den Spitzenkandidaten der Volkspartei, entfesselt hat. Dass die SPÖ der Konkurrenz nun vorwirft, ebenfalls mit üblen Tricks zu arbeiten, macht die eigene Schuld nicht kleiner, sondern nur die Verwirrung größer.
Ob die Volkspartei mittels eingeschleuster Maulwürfe die SPÖ-Kampagne von Beginn an sabotieren wollte, oder ob sie, wie behauptet, Leute aus Silbersteins Söldnertruppe mit hohen Beträgen zum Überlaufen motivieren wollte, wird sich überdies bis zum Wahltag nicht klären lassen.
Aber um Aufklärung geht es ja gar nicht, sondern darum, möglichst viele Nebelschwaden über den Abgründen wabern zu lassen. Dass dies Tradition hat im Land, sieht man daran, dass noch heute Parlamentsausschüsse versuchen, finstere Vorgänge aus den Zeiten der ÖVP-FPÖ-Koalition anno 2000 bis 2006 auszuleuchten. Nach diesem Wahlkampf-Wahnsinn aber ist die Lage so ernst, dass die Politik erhebliche Selbstreinigungskräfte aktivieren muss, um Vertrauen zurückzugewinnen.
Eine erste Quittung dürften die Wähler schon am Wahltag ausstellen. Die SPÖ droht in diesem Sumpf tief zu sinken. Ob auch an der Volkspartei etwas hängen bleibt, werden erst die nächsten, gewiss noch giftigen Tage zeigen. Profitieren dürfte davon in jedem Fall die rechte FPÖ. Doch einen strahlenden Sieger kann es nach diesem Vorlauf ohnehin kaum noch geben. Beschädigt sind nicht nur die Parteien und die Kandidaten. Die gesamte politische Kultur ist an einem Tiefpunkt angelangt.