Süddeutsche Zeitung

Nationalpopulisten:Jetzt erst recht

Die Stärke der Liberalen lässt die Regierungs­partei kalt. Sie kann nun weiter ungestört das Land verändern - und genau das hat sie offenbar vor.

Von Frank Nienhuysen

Wie knapp es ausging, wird schon bald vergessen sein. Vor allem bei den Siegern. In der polnischen Regierungspartei PiS scheint kein Gedanke aufzukommen, Präsident Andrzej Duda möge auf die Liberalen zugehen, sich versöhnlich zeigen, nun, da sich diese als so stark erwiesen haben. Der einflussreiche ehemalige Innenminister Joachim Brudziński twitterte, dass der PiS-Chef am meisten zum Sieg Dudas beigetragen habe: "Die Wahrheit ist, dass der Präsident diesen Sieg (wie schon vor fünf Jahren) Jarosław Kaczyński zu verdanken hat. Punkt, Aus." Trotz des Dämpfers, von Zerknirschung oder Demut keine Spur.

Polens Regierungspartei hat in den vergangenen Wochen viel Aufwand betrieben, um das liberale Lager zu diskreditieren. Nun sieht es so aus, als könnte die PiS ihren nationalkonservativen Kurs für lange Zeit fortsetzen. Mehrheit ist Mehrheit. Und die nächsten Wahlen sind weit. Nach den Regional-, Europa-, Parlaments- und den Präsidentschaftswahlen dürfte die Kaczyński-Partei Dudas Sieg als Auftrag interpretieren, ihre Politik störungsfrei fortzusetzen. Die nächsten Parlamentswahlen sind erst in drei Jahren. "Dass das Wahlergebnis so knapp ist, beeindruckt niemanden in der PiS", sagt Agnieszka Łada, Vizedirektorin des Deutschen Polen-Instituts. "Alle Gesetze, die vom Parlament verabschiedet werden, können auch in Kraft gesetzt werden. Die Spaltung des Landes wird die Regierung nicht aufhalten."

Schon am Sonntagabend hatte Justizminister Zbigniew Ziobro angekündigt, dass die PiS-Partei jetzt ihre Vorhaben rasch umsetzen könne, er nannte etwa die Änderung von Eigentumsverhältnissen der privaten Medien. Gern würde die Regierung den Einfluss auf Medien weiter erhöhen, wie genau neue Gesetze aussehen könnten, ließ sie allerdings offen. Massive Kritik der polnischen Opposition wie auch von der Europäischen Union gibt es auch an den Justizgesetzen. Sie werden als Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz und folglich als Bedrohung des Rechtsstaats angesehen. Rafał Trzaskowski hatte klargemacht, dass er als Präsident diesen Kurs nicht mitmachen würde. Aber wenn nun Duda im Amt bleibt, hat die PiS auch künftig weitestgehend freien Lauf. "Die Regierung wird keinen Anlass sehen, von der Justizreform irgendetwas zurückzunehmen", sagt Kai-Olaf Lang von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik. "Sie kann jetzt durchregieren. Ich glaube nicht, dass sich Duda emanzipieren wird von der PiS."

Im vergangenen Herbst hatte die Partei ihre Mehrheit im polnischen Parlament noch einmal vergrößert. Die Präsidentschaftswahl zeigt nun, dass seitdem der Rückhalt für die PiS doch arg geschrumpft ist. Die PiS hat vor allem viele Polen mit ihrer Sozialpolitik überzeugt, dem eingeführten Kindergeld, der 13. Monatsrente. "Die Politik des Wohlfahrtstaats ist für das PiS-Lager das Hauptargument bei der Wahl gewesen", sagt Lang, "jetzt aber muss sie zum ersten Mal in der Phase eines wirtschaftlichen Abschwungs regieren." Bei den Haushaltsverhandlungen mit der EU geht es also für Warschau um Geld - und politischen Spielraum im eigenen Land. "Wenn es jetzt um europäische Werte geht", sagt Agnieszka Łada vom Deutschen Polen-Institut, "wird die Regierung ihre aggressiven Töne deshalb wohl kaum wiederholen."

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SZ vom 14.07.2020
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