Nationalkoalition der Rebellen:Syriens alte Krankheit schlägt zurück

Syriens Nationalkoalition trifft sich mit Arabischer Liga in Katar

Insgesamt sollen bis zu 3500 Tonnen militärischer Ausrüstung nach Syrien geschafft worden sein; ein großes Geschäft.

(Foto: Reuters)

Syriens Opposition ist tief zerstritten. Es herrschen innere Widersprüche und Zwietracht, geschürt durch vermeintliche Gönner im Ausland und Waffenlieferungen an Hardcore-Islamisten. Der Gipfel der Arabischen Liga in Katar soll Einheit bringen - und könnte doch zerbrechen.

Von Sonja Zekri, Kairo

Schwer zu sagen, was den Rückfall in die alte syrische Krankheit mehr beschleunigt hat: innere Widersprüche oder Zwietracht, geschürt durch vermeintliche Gönner im Ausland. Kurz vor dem arabischen Gipfel in Katar bietet die Opposition gegen den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad jedenfalls ein entmutigendes Bild.

Die syrische Nationalkoalition, Ende 2012 im katarischen Doha als Versuch einer repräsentativeren Oppositionsvertretung gegründet, will den Rücktritt ihres Vorsitzenden Moas al-Chatib nicht annehmen. Chatib hatte am Sonntag erklärt, er wolle sein Amt niederlegen, "um frei zu arbeiten".

Skepsis bei Übergangsregierung

Chatib, ein moderater sunnitischer Theologe und in besseren Zeiten Imam der Omajaden-Moschee in Damaskus, war umstritten: Er hatte Gespräche mit Angehörigen des Assad-Regimes erwogen, was jenen entgegenkam, die an einer schnellstmöglichen Lösung interessiert sind - etwa den Amerikanern - in den Augen vieler Syrer aber Verrat ist.

Chatib war zudem frustriert über das anhaltende Zögern der internationalen Gemeinschaft. Den Ausschlag aber gab wohl die Wahl Ghassan Hittos zum Übergangspremier. Nicht alle waren glücklich mit der Bildung einer Übergangsregierung. Nicht nur Amerika, auch die Türkei halten es offenbar für zu früh und stehen Hitto skeptisch gegenüber.

Hitto, ein syrisch-kurdischer Informatiker aus Texas, dessen Sohn sich den Kämpfern gegen Assad angeschlossen hat, war von der Nationalkoalition vor allem auf Betreiben Katars und der syrischen Muslimbrüder gewählt worden. Für die Muslimbrüder war die Personalie ein Versuch, Boden gutzumachen. Die Islamisten hatten den Syrischen Nationalkongress dominiert.

Katar ist großzügiger Unterstützer der Rebellen

Dieser war aber Ende vergangenen Jahres in der Nationalkoalition aufgegangen, sodass die Islamisten an Einfluss verloren hatten. Hitto jedenfalls setzte sich umgehend von den Kompromissvorschlägen Chatibs ab und erklärte nach seiner Wahl, er werde auf keinen Fall mit dem Regime verhandeln.

Katar wiederum ist nicht nur Gastgeber des zweitägigen Gipfels der Arabischen Liga, der von diesem Dienstag an die Außenminister in Doha zusammenführt. Das winzige, aber schwerreiche Königreich hat sich zudem durch großzügige Unterstützung der Rebellen Einfluss unter den Assad-Gegnern gesichert, den Saudi-Arabien, aber auch der Westen skeptisch sehen.

Streit um Waffenlieferungen für Hardcore-Islamisten

Beobachter befürchten, dass die Nationalkoalition den Zwist nicht überstehen könnte. Syriens Sitz in der Arabischen Liga soll nach dem Willen der meisten Mitgliedstaaten an die Opposition gehen. Am Montag bestätigte ein ranghoher Vertreter der Liga, der vakante Sitz Syriens sei offiziell der Opposition zugesprochen worden. Umso wichtiger wäre es, dass diese einig auftritt, denn manche Staaten sind gegen eine derartige Aufwertung.

Das bürgerkriegsgebeutelte Libanon wird fast zerrissen durch die Spannungen zwischen Anhängern und Gegnern der Assad-Regierung. Auch Algerien, der Irak und der Sudan haben Vorbehalte. In einem Versuch zu retten, was zu retten ist, soll Chatib anstelle von Hitto, der als schwacher Redner gilt, in Doha für die syrische Opposition sprechen. Die Koalition wies Chatibs Rücktritt mit der Begründung zurück, er habe die Gruppe in einem kritischen Moment geführt und unter den Syrern Popularität und Akzeptanz gewonnen. Sowohl das Präsidialbüro als auch die Generalversammlung forderten Chatib auf, wieder an die Arbeit zu gehen.

Wachsende Zahl von Militärtransporten

Einer von Chatibs Vorwürfen an die internationale Gemeinschaft richtete sich gegen Waffenlieferungen für die Hardcore-Islamisten. Während die Europäische Union weiterhin um eine einheitliche Haltung zur Frage von Waffenlieferungen ringt, kanalisiert der amerikanische Geheimdienst offenbar eine wachsende Zahl von Militärtransporten aus Jordanien, Kroatien und vom Golf an die Rebellen.

Wie die New York Times berichtet, landeten allein seit Anfang 2012 mehr als 160 Militärtransportflüge aus Jordanien, Saudi-Arabien und Katar im türkischen Esenboga und in Jordanien. Nach Informationen der Zeitung ist die Zahl der Flüge vor allem seit Ende 2012 gestiegen - nach der Wiederwahl von US-Präsident Barack Obama. Zudem erlaubt die Türkei seitdem mehr Lufttransporte.

Während saudische und katarische Waffenlieferungen über die Türkei seit Längerem bekannt waren, kaufen die Saudis offenbar auch Ausrüstung in Kroatien, die sie über Jordanien in die Türkei und dann nach Syrien bringen. Bei der logistischen Organisation soll die CIA unter ihrem damaligen Chef David Petraeus "hilfreich" gewesen sein, schrieb die New York Times. Offenbar versucht Amerika, wenigstens einen Teil der Waffenlieferungen zu kontrollieren und zu verhindern, dass diese in die Hände von Dschihadisten fallen, die die militärisch stärkste Gruppe sind.

Waffenhandel wird zu großem Geschäft

Insgesamt sollen bis zu 3500 Tonnen militärischer Ausrüstung nach Syrien geschafft worden sein, sagte Hugh Griffiths vom Stockholmer Internationalen Friedensforschungsinstitut Sipri der New York Times. Das Geschäft mit den Waffen entwickelt eine eigene Dynamik. Die Zeitung zitiert einen Kommandeur der Aufständischen mit der Warnung, falsche Rebellenbrigaden brächten sich in den Besitz von Waffen, um mit ihnen zu handeln. Katar und Jordanien streiten jede Verwicklung in die Waffenlieferungen ab.

Die Rebellen der Freien Syrischen Armee (FSA) kündigten am Montag Raketenangriffe auf mehrere strategisch wichtige Ziele in Damaskus an. In einer Erklärung werden die Bewohner von Damaskus aufgefordert, sich in Sicherheit zu bringen: "Wir raten dazu, die Umgebung der Gebäude des Präsidenten, der Armee und der Sicherheitsdienste schnell zu verlassen".

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