Nationalfeiertag in Frankreich:Die unglückliche Liebe der Franzosen zum Militär

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Soldiers of the French Foreign Legion are seen prior to the start of the traditional Bastille day military parade on the Champs-Elysees  with the Arc de Triomphe in the background in Paris

Soldaten der Fremdenlegion formieren sich zu Beginn der Militärparade am französischen Nationalfeiertag.

(Foto: REUTERS)

Deutsche Konservative bewundern Frankreichs Kunst der nationalen Inszenierung, wie bei der Parade am 14. Juli. Doch der Militärkult birgt eine zwiespältige Geschichte - und blendet viel aus.

Von Dieter Wild

Nun ist Emmanuel Macron Staatschef Frankreichs, ja Hoffnungsträger Europas. Und François Hollande, der unglücklichste Präsident der Fünften Republik, ist Geschichte. Da mochte er noch so oft und martialisch tönen, die islamistischen Terroristen per Krieg zu vernichten - aber wie, das wusste er so wenig wie alle anderen in West und Ost.

Dabei hatte er noch mal mächtig aufgerüstet. Er schickte Jagdbomber gegen Syrien und ließ sogar den Atomflugzeugträger Charles de Gaulle das östliche Mittelmeer durchpflügen und vor Stadien und Kathedralen, auf Flughäfen und Bahnhöfen Soldaten mit schussbereiten Schnellfeuerwaffen aufmarschieren - so viel Militär sah man in der französischen Öffentlichkeit nicht mehr seit dem Algerienkrieg.

Und doch: "La douce France" und der Kommiss, sie passen irgendwie nicht zusammen. Dass Franzosen die Demokratie mitbegründet haben, große Romane schreiben, märchenhafte Schlösser bauen und wunderbare Kleidermoden kreieren können, ist weltweit anerkannt. Die Liebe, welche sie aber mit ihren Feldherren und deren Feldzügen verbindet, ist freilich eine unglückliche.

Gern berauschen sich die Franzosen an farbenfrohen Militärspektakeln, etwa am 14. Juli, dem Nationalfeiertag, an dem Macron als Präsident erstmals die größte nationale Selbstinszenierung Frankreichs abnehmen wird. Sogar den US-Kollegen Donald Trump hat Macron eingeladen zu diesem Schauspiel.

Da traben die Kürassiere der Garde républicaine unter Trompetengeschmetter mit blitzenden Helmen die Champs-Élysées hinunter, marschieren Tausende Soldaten, donnern Kampfjets über die Stadt. Da lebt die angeblich so ruhmreiche soldatische Vergangenheit auf, die in Frankreichs Geschichtsbüchern ohnehin nie gestorben ist.

In Wahrheit ist diese Geschichte höchst zwiespältig. Vielleicht weil Frankreich mit vielen Kriegen, mutig angefangen, oft kein Glück hatte - deprimierende Niederlagen verdunkeln glänzende Siege, deren Namen jeder kennt: Austerlitz, Solférino, Verdun. Die der Niederlagen sind weniger geläufig.

Frankreich verlor Quebec, die Vergeltung ging auch schief

Beklommen musste die Nation 2015 mit ansehen, wie die Briten das 600. Jubelfest der Schlacht von Azincourt 1415 feierten, in der simple englische Bogenschützen der Blüte der französischen Ritterschaft die Rösser unter den Sätteln wegschossen und anschließend die gepanzerten, im morastigen Boden halbversunkenen Reiter totschlugen. Azincourt war einer der Höhepunkte des Hundertjährigen Krieges zwischen England und Frankreich.

Unglücklich auch der Kraftaufwand der einst mächtigen, dann maroden bourbonischen Monarchie, im Siebenjährigen Krieg ihr gewaltiges Kolonialreich in der Neuen Welt zwischen St.-Lorenz-Strom und Mississippi-Delta gegen die Briten zu halten. 1759 starb ihr Marquis de Montcalm bei Quebec, das dann vor den Briten kapitulierte.

Auch die französische Rache für Quebec glückte nicht so recht. Zwar halfen französische Bataillone und Schlachtschiffe den amerikanischen Kolonisten in deren Unabhängigkeitskrieg, die Briten zu verjagen. Aber die Millionen, die diese Kraftanstrengung kostete, leerten die Staatskasse so gründlich, dass das Geld für die notwendigen Reformen im eigenen Land fehlte, welche die Große Revolution von 1789 vielleicht verhindert hätten.

Frankreichs genialster Kriegsherr, Napoleon Bonaparte, eroberte fast ganz Europa. Doch seine endlosen Feldzüge brachten Hunderttausenden Franzosen den Tod - in Ägypten, Spanien, Italien, Russland und Deutschland. 1812 verführte ihn sein Größenwahn, mit 600 000 Mann gen Moskau zu ziehen - nicht mal ein Zehntel kehrte zurück. Vor 200 Jahren dann der Schlussakt des napoleonischen Dramas.

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