Nationaler Volkskongress in Peking:China pumpt Milliarden ins Militär

Instructor aligns the formation of the Chinese People's Liberation Army Airborne Corps during a training session at the 60th National Day Parade Village on the outskirts of Beijing

Soldaten bei der Vorbereitung einer Militärparade in Peking

(Foto: REUTERS)

Zum Auftakt des Volkskongresses setzt Chinas Premier Akzente: Er will die Militärausgaben deutlich steigern und verkündet eine "Kriegserklärung" an die Umweltverschmutzung. Am Rande der Sitzung kommt es Augenzeugen zufolge zu einem Zwischenfall.

Es ist der Haushaltsposten mit der höchsten Steigerungsrate: China will seine Rüstungsausgaben deutlich erhöhen, der Militäretat soll um mehr als zwölf Prozent in diesem Jahr steigen. Umgerechnet handelt es sich dabei um 132 Milliarden Dollar (96 Milliarden Euro). Dies kündigte Regierungschef Li Keqiang an diesem Mittwoch zum Auftakt der neuntägigen Sitzung des Volkskongresses in der Großen Halle des Volkes in Peking.

Bereits in den vergangenen drei Jahren hat die Volksrepublik ihre Rüstungsausgaben jeweils um Raten zwischen 10,7 und 12,7 Prozent gesteigert. Nach den USA steht China bei den Rüstungsausgaben weltweit an zweiter Stelle. Das zusätzliche Geld werde vor allem in die Küsten- und Luftabwehr sowie in die Entwicklung von hochtechnologischen Waffen investiert.

"China wird seine Souveränität, Sicherheit und Entwicklungsinteressen energisch schützen", sagte Li Keqiang. Er beschrieb China als "verantwortliche Macht".

Die Volksrepublik hat immer wieder betont, dass der Ausbau des Militärs für den Rest der Welt kein Grund zur Besorgnis sei, sondern lediglich der eigenen Verteidigung diene. Eine Sprecherin des Nationalen Volkskongresses sagte: "Vor dem Hintergrund unserer Geschichte und Erfahrungen glauben wir, dass Frieden nur durch Stärke bewahrt werden kann."

Chinas Nachbarn zeigten sich beunruhigt. Insbesondere der Inselstreit mit Japan im ostchinesischen Meer könnte durch das aufgestockte Budget wieder aufflammen. Beide asiatischen Großmächte beanspruchen eine Inselgruppe, in deren Gewässern Erdöl und Erdgas vermutet werden.

Die knapp 3000 Delegierten begannen ihre neuntägige Sitzung mit einer Schweigeminute für die Opfer des Terroranschlags im Bahnhof der Metropole Kunming in Südwestchina. Bei dem Gemetzel waren am Samstag 29 Reisende getötet und 140 verletzt worden. Die Behörden haben vier Angreifer erschossen und vier andere festgenommen, die als Separatisten aus der Unruheregion Xinjiang in Nordwestchina beschrieben wurden. Der Premier verurteilte den Terrorakt und sprach den Familien der Opfer sein Beileid aus.

Der Nationale Volkskongress ist der Verfassung zufolge Chinas höchstes Staatsorgan. Unter der Alleinherrschaft der Kommunistischen Partei ist er aber vor allem ein Werkzeug der politischen Führung. Die Abgeordneten werden nicht frei vom Volk gewählt, sondern alle fünf Jahre von lokalen Volkskongressen bestimmt. Bislang hat der Volkskongress noch nie eine Gesetzesvorlage abgelehnt.

Premier sieht Umweltverschmutzung als "großes Problem"

In seiner Rede gab der Premier das Wachstumsziel der zweitgrößten Volkswirtschaft in diesem Jahr wieder mit 7,5 Prozent an - trotz der konjunkturellen Abschwächung. Er stellte marktwirtschaftliche Umstrukturierungen in den Mittelpunkt seiner Wirtschaftspolitik. "Chinas Reform steht am Scheideweg", sagte der Premier. Der Ausbau des heimischen Konsums müsse "der wichtigste Motor" für Wirtschaftswachstum werden, was auch strukturelle Veränderungen zur Folge haben werde, sagte der Premier.

Offen beklagte der Premier den anhaltenden Smog in weiten Teilen des Landes. Der Umweltverschmutzung will er "den Krieg erklären": Es sei "die Rote Ampel der Natur, die vor einer ineffizienten und blinden Entwicklung warnt". Wie in China Energie produziert und verbraucht werde, müsse sich verbessern. Li Keqiang versprach dem Milliardenvolk "energische Maßnahmen", was die Delegierten mit Applaus quittierten.

Frau soll sich angezündet haben

Nach dem Auftakt des Volkskongresses soll sich Augenzeugen zufolge eine Frau selbst angezündet haben. Der Zwischenfall ereignete sich in der Nähe des Tian'anmen-Platzes. "Ich habe Rauch gesehen. Ich bin hingerannt, aber es war schon niemand mehr da", zitiert die Nachrichtenagentur dpa eine Frau. "Ein Tourist sagte mir, dass sich eine etwa 40 Jahre alte Frau selbst angezündet hat." Unmittelbar danach seien Sicherheitsleute mit Feuerlöschern eingeschritten.

Die South China Morning Post berichtete Über den Vorfall. Die Frau soll gelebt haben, als sie weggebracht wurde. Die Polizei wollte sich auf Anfrage zunächst nicht zu den Aussagen äußern. Der Vorfall soll sich am Vormittag unmittelbar vor dem Porträt des Revolutionsführers Mao Tsetung am Eingang zum Kaiserpalast ereignet haben.

Das gesamte Gebiet um den Tian'anmen-Platz gehört zu dem am besten bewachten und politisch heikelsten Plätzen Chinas. Westlich des Platzes liegt die Große Halle des Volkes, der Sitz des chinesischen Parlamentes. Wenige hundert Meter entfernt residiert Chinas Staatsführung auf dem abgeschirmten "Zhongnanhai"-Gelände.

Auf dem Tian'anmen-Platz (Platz des Himmlischen Friedens) hatten 1989 über Wochen Hunderte Studenten campiert und politische Reformen gefordert. In der Nacht zum 4. Juni 1989 schlug die chinesische Armee die Bewegung blutig nieder.

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