Nationaler Volkskongress:China entschärft Pläne für heimliche Festnahmen

Der Nationale Volkskongress stattet die chinesische Polizei mit mehr Vollmachten bei der Verfolgung von Dissidenten aus. Nur das Recht, Verdächtige monatelang ohne die Benachrichtigung ihrer Angehörigen festzuhalten, fehlt nun doch im neuen chinesischen Strafverfahrensrecht.

China will weitreichende Vollmachten für Festnahmen festschreiben. Ursprüngliche Pläne für "heimlichen Hausarrest" wurden allerdings entschärft. Bürgerrechtler sollen in Zukunft doch nicht über Monate an einem unbekannten Ort festgehalten werden können, ohne dass ihre Familien oder Anwälte davon erfahren. Diese kontroverse Möglichkeit fehlt in dem Entwurf für das neue Strafverfahrensrecht, der dem Volkskongress in Peking vorgelegt wurde.

The Second Plenary Session Of The National People's Congress (NPC)

Am Nationalen Volkskongress in Peking nehmen etwa 3000 Delegierte teil.

(Foto: Getty Images)

"Die Streichung der Klausel über das Verschwindenlassen ist ein Sieg für die Reformer in China und eine Niederlage für den Sicherheitsapparat, der seine Macht weiter zementieren wollte", sagte Nicholas Bequelin von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW). Die Pläne für eine Verschärfung des chinesischen Strafrechts waren im August bekannt geworden und hatten heftige Proteste von Menschenrechtsaktivisten und Regierungsgegnern provoziert.

Ansonsten werden den Sicherheitsorganen aber breite Vollmachten gewährt, Verdächtige bis zu einem halben Jahr irgendwo festzuhalten. Familien der Betroffenen müssen jedoch binnen 24 Stunden über deren Festnahme informiert werden.

"Dies ist eine massive Bedrohung für das Rechtswesen und die Sicherheit der Bürger", kritisierte der international bekannte Künstler Ai Weiwei, der im vergangenen Jahr vorübergehend selbst festgenommen und an einen unbekannten Ort gebracht worden war. Der Vorstoß veranschauliche das gegenwärtige politische Klima in China, das von Misstrauen und Angst geprägt sei. Der Pekinger Menschrechtsanwalt Jiang Tianyong erklärte, die Regierung wolle angesichts der Proteste in der arabischen Welt die Stabilität im eigenen Land um jeden Preis erhalten, was auf Kosten der Menschenrechte geschehe.

Die Jahrestagung des Volkskongresses wird begleitet von anhaltenden Spekulationen über Turbulenzen in der kommunistischen Partei. Rätselraten löste auf der Sitzung am Donnerstag die Abwesenheit eines Spitzenpolitikers aus, um den sich alle Diskussionen drehen. Als einziges Mitglied des 25-köpfigen Politbüros fehlte der ehrgeizige Parteichef von Chongqing, Bo Xilai, der in die Führung aufrücken wollte. Ein Sprecher seiner Delegation wiegelte nach Angaben der Zeitung Lianhe Zaobao aus Singapur aber ab. Bo Xilai werde sich am Freitag den Fragen von Medien stellen.

Die Vorlage des Strafverfahrensrechts war mit Spannung erwartet worden. Auch in den staatlich kontrollierten chinesischen Medien wird es kritisch betrachtet. Das Gesetz erlaubt weiter, Bürgerrechtler "unter häuslicher Beobachtung" bis zu sechs Monate festzuhalten. Kritiker wie der Ai Weiwei, Aktivisten oder Bürgerrechtsanwälte waren besonders im vergangenen Jahr auf diese Weise über Monate im Hausarrest in "Gästehäusern" oder anderen Einrichtungen der Sicherheitsbehörden verschwunden.

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