Nationaler Bildungsbericht:Soziale Herkunft entscheidet weiterhin maßgeblich über Bildungserfolg

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Ein Schüler arbeitet an einem Laptop. Die Digitalisierung der Schulen muss Experten zufolge voranschreiten. (Foto: Philipp von Ditfurth/picture alliance/dpa)

Das Bildungssystem arbeitet am Anschlag, fast 18 Millionen Menschen sind in Deutschland gerade in der Schule, im Studium, in Aus- oder Weiterbildung. Experten benennen die größten Herausforderungen.

Von Max Fluder

Unzureichende Finanzierung, Mangel an Lehrkräften und Kitapersonal, schlechte Schulleistungen und soziale Ungleichheit: Das deutsche Bildungssystem steht vor großen Herausforderungen und muss sich an wandelnde Bedingungen anpassen. Das geht aus dem am Montag in Berlin vorgestellten, alle zwei Jahre erscheinenden nationalen Bildungsbericht hervor.

Personalmangel belastet Schulen und Kitas

Wie auch die deutsche Wirtschaft leidet das Bildungssystem dem Bericht zufolge unter dem Fachkräftemangel im Land. So seien 2023 zwölf Prozent aller neu angestellten Lehrerinnen und Lehrer Seiteneinsteiger gewesen. Viele ausländische Lehrkräfte, die nach Deutschland ziehen, stießen bei der Anerkennung ihrer Lehrerausbildung auf Hürden, nur in 14 Prozent der Fälle werde diese ohne Weiteres als gleichwertig anerkannt. Auch in Berufsschulen macht sich der Fachkräftemangel bemerkbar. Mehr als die Hälfte aller Berufsschullehrer seien zudem älter als 50 Jahre. Das dürfte die Personalnot in den kommenden Jahren noch verschärfen, weil viele von ihnen in absehbarer Zeit in den Ruhestand gehen.

In den Kitas wiederum sei die Zahl des pädagogischen Personals zwar um 54 Prozent gestiegen, der Personalmangel aber damit nicht gelöst. So erwarten die Forscher bis 2035 Engpässe in westdeutschen Kitas. In Ostdeutschland sei die Lage entspannter, dort sei allerdings der Betreuungsschlüssel schlechter, also das Verhältnis der Zahl der Mitarbeiter zu der Zahl der Kinder.

Soziale Herkunft entscheidet maßgeblich über Bildungserfolg

Die soziale Herkunft entscheide weiterhin maßgeblich über den Bildungserfolg. Während 78 Prozent aller Kinder aus wohlhabenden Familien eine Gymnasialempfehlung erhielten, sei dies nur bei 32 Prozent aller Kinder aus weniger privilegierten Haushalten der Fall. Andersherum gehen dem Bericht zufolge nur sieben Prozent aller Kinder aus privilegierten Elternhäusern trotz einer Empfehlung nichts aufs Gymnasium. Bei ärmeren Familien seien es 17 Prozent.

Die Ungleichheit zeigt sich auch bei den Studienanfängern: Während mehr als drei Viertel der Kinder aus Elternhäusern, bei denen mindestens eine Person Akademiker ist, ein Studium aufnähmen, täte dies bei Kindern von Eltern ohne Hochschulabschluss nur ein Viertel.

Auffällig ist zudem, dass Kinder, die selbst oder deren Eltern eine Migrationsgeschichte haben, dem Bericht zufolge seltener Kitas oder vergleichbare Einrichtungen besuchen. Bildungsexpertinnen und -experten betonen seit Jahren, wie wichtig die frühkindliche Bildung sei.

Auch aus der Ukraine geflüchtete Kinder sind den Daten nach in Kitas unterrepräsentiert. Kai Maaz, Forscher am Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation, sagt, die Integration von Menschen mit Flucht- und Migrationserfahrung stelle eine Daueraufgabe dar, „für die es bislang keine nachhaltigen Konzepte gibt“.

Mehr Schüler gehen ohne Abschluss ab

Seit 2013 ist der Anteil der Schülerinnen und Schülern gestiegen, die die Schule ganz ohne Abschluss verlassen. 2013 waren dies noch 5,7, im Jahr 2022 dann 6,9 Prozent, also etwa 52 300 Schüler, wie aus dem Bildungsbericht hervorgeht. Die Zahl der eigentlichen Abbrecher dürfte noch höher liegen, denn Jugendliche, die während eines laufenden Schuljahres die Schule verlassen, werden hier nicht mit eingerechnet.

Der Anteil derjenigen, die weder eine Berufsausbildung noch einen Hochschulabschluss haben, liegt weiterhin bei 17 Prozent und damit unverändert hoch.

Mehr Bildungsangebote, aber auch immer mehr Nachfrage

In Deutschland gibt es mehr Orte, an denen gelehrt und ausgebildet wird. So verzeichnet der nationale Bildungsbericht für das Jahr 2022 sechs Prozent mehr Bildungseinrichtungen als noch für 2012. Gleichzeitig wuchs die Zahl der sogenannten Bildungsteilnehmer auf fast 18 Millionen Menschen an. Damit sind Schülerinnen und Schüler, Studierende und Menschen in Aus- und Weiterbildung gemeint. Vor allem in der Ganztagsbetreuung übersteige die Nachfrage weiterhin das Angebot.

Parallel dazu seien die Bildungsausgaben in Deutschland seit 2012 in absoluten Zahlen um fast die Hälfte, 46 Prozent, gestiegen. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt sei das aber nur eine Steigerung von 0,2 Prozentpunkten. Eine ausreichende Finanzierung für alle Bildungsformen müsse gewährleistet sein, mahnen die Expertinnen und -experten.

Mehr Ausbildungsplätze als Azubis

Menschen auf der Suche nach einer Ausbildung haben derzeit leichtes Spiel, theoretisch zumindest. Denn 2022 standen den Daten zufolge erstmals seit 1995 mehr Plätze zur Verfügung als nachgefragt wurden. Das Ausbildungsangebot jedoch mit der Nachfrage zusammenzubringen, gestaltet sich schwierig. Während einige Berufe besonders begehrt sind, ringen Betriebe in anderen Bereichen um Bewerber.

Die berufliche Orientierung im Jugendalter und damit auch die Wahl der Ausbildung oder des Studiums seien entscheidend, schreiben die Expertinnen und Experten. Und doch zeigten bisherige Befunde, dass sich viele Jugendliche nicht ausreichend informiert und vorbereitet fühlen. Ob eine Ausbildung wirklich zu ihnen passt, könnten Jugendliche im Vorhinein nur schwer einschätzen.

Beim Beginn einer Ausbildung oder eines Studiums gebe es oft Einbußen und Kompromisse: So beginnen dem Bericht zufolge zwei Drittel der jugendlichen Azubis mit mittlerem Schulabschluss ihre Ausbildung nicht im Wunschberuf. Auch nähmen sie ein geringeres Einkommen und schlechtere Arbeitszeiten in Kauf. Einmal begonnen, verlaufen Ausbildung und Studium aber in der Mehrheit der Fälle ohne Ab- oder Unterbrechungen.

Mit Material der Deutschen Presse-Agentur.

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