Nahverkehr:Wunderheiler im Untergrund

New Yorks U-Bahn ist marode - nun soll ein Engländer sie retten.

Von Christian Zaschke

Wer in New York mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs ist, sollte seine größte Hoffnung für die kommenden Jahre auf einen Engländer namens Andy Byford setzen. Gerade hat Byford seine Arbeit in Toronto beendet, wo er das örtliche Nahverkehrsnetz auf Vordermann gebracht hat. Jetzt zieht er um nach New York, um dort das Gleiche zu tun. Im Grunde ist es eine unlösbare Aufgabe, weil die New Yorker U-Bahn in einem maroden Zustand ist, nach Jahren der Vernachlässigung.

Aber wenn man es jemandem zutrauen kann, dieses marode System doch ins 21. Jahrhundert zu überführen, dann dem 52 Jahre alten Byford, der in Plymouth aufwuchs, in Leicester Französisch und Deutsch studierte und seit seiner Jugend in Herz, Kopf und Seele eine übergroße Zuneigung zu Bussen und Bahnen verspürt. Der Mann hat in der Tat noch nie ein Auto besessen.

Auf den ersten Blick mag es vielleicht ein Traumjob sein, sich um das Netz von New York kümmern zu dürfen. Byford sagt: "Jeder Verkehrsprofi, der es ernst meint, würde alles dafür geben, in einer Stadt zu arbeiten, die ich in puncto Nahverkehr die großen Drei nenne: New York, London und Hongkong." Auf den zweiten Blick dürfte allerdings offenbar werden, dass der Posten in New York ein Höllenjob ist.

Seit Jahren und Jahrzehnten wurde zu wenig Geld in das veraltete Netz investiert, obwohl es immer mehr Menschen nutzen. Derzeit fahren werktags mehr als 5,5 Millionen Passagiere mit der Subway, rund zwei Millionen New Yorker sitzen täglich in den kriechenden Bussen. Weniger als zwei Drittel der Züge sind pünktlich, das Busnetz gilt mittlerweile als das schlechteste der USA. So schlimm war es seit den Siebzigerjahren nicht mehr.

Zunächst verlief der Niedergang der U-Bahn allmählich, inzwischen rapide. Zwischen 2012 und 2017 haben sich Verspätungen und Ausfälle verdreifacht. Das führt zu immer volleren Zügen. Das wiederum führt zu mehr und mehr Wut unter den Passagieren. Derweil streiten Andrew Cuomo, der als Gouverneur für den Verkehr im gesamten Staat New York zuständig ist, und Bürgermeister Bill de Blasio darüber, wer das Geld für den Notfallplan aufbringt: Mit 836 Millionen Dollar sollen zumindest die dringendsten Arbeiten erledigt werden.

Als Byford 2012 den Nahverkehr in Toronto übernahm, galt dieser als miserabel. Doch schon 2017 wurde Toronto für das beste Verkehrsnetz Nordamerikas ausgezeichnet. Zuvor hatte Byford sein Handwerk 14 Jahre lang in London gelernt, bevor er zwei Jahre lang half, den Verkehr in Sydney neu zu organisieren. Byfords Talent besteht darin, die größten Probleme im jeweiligen Netz zu identifizieren und dann die Politik davon zu überzeugen, dort gezielt zu investieren. Deshalb wurde er als Präsident des New Yorker Nahverkehrs angeheuert. Eine Rolle, in der er künftig 47 000 Mitarbeitern vorsteht.

Die erste Erfahrung mit seinem neuen Betätigungsfeld machte Byford im Jahr 1994: Auf der Hochzeitsreise erkundete er mit seiner Frau ausführlich das New Yorker U-Bahn-Netz. Er war, erzählt er, sogleich fasziniert von der Komplexität dieses Systems.

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