Süddeutsche Zeitung

Nahostkonflikt:Wie die arabische Welt reagiert

Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate üben bislang nur zurückhaltend Kritik an Israel und den USA. Denn alle haben einen gemeinsamen Feind: Iran. Die schiitische Macht könnte die Lage nun für sich nutzen.

Von Paul-Anton Krüger, Kairo

Jordaniens König Abdallah war eigens für eine Woche nach Washington gereist. Er versuchte, US-Präsident Donald Trump abzubringen von der Idee, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen und die amerikanische Botschaft in die Stadt zu verlegen, die Juden, Muslimen und Christen gleichermaßen heilig ist. Auch andere Verbündete aus der arabischen Welt, mit denen Trump enge Beziehungen pflegt, warnten ihn vor diesem Schritt.

Der saudische König Salman etwa und dessen Sohn, Kronprinz Mohammed, der mit Trumps Schwiegersohn und persönlichem Nahost-Beauftragten Jared Kushner ein enges Vertrauensverhältnis aufgebaut hat - die beiden trafen sich mehrmals unter fast konspirativen Bedingungen, um über Elemente eines möglichen Plans für einen Frieden zwischen Israel und den Palästinensern zu sprechen.

Es wäre der ganz große Deal in der internationalen Politik. Versierte Unterhändler, die alle Untiefen dieses seit 70 Jahren schwelenden Konfliktes bis ins Detail kannten, sind daran gescheitert. Trump traut ihn sich zu, aufgrund seines Geschäftssinns und seiner Bereitschaft zu unkonventionellen Lösungen - zumindest ist das seine Sicht der Dinge. Er stellte bereits das Dogma aller bisherigen Verhandlungen infrage, die Zwei-Staaten-Lösung. Nun hat er mit der Entscheidung in der Jerusalem-Frage mit 70 Jahren amerikanischer Diplomatie gebrochen - und mit dem Rest der Welt.

Die politischen Führer der arabischen Nationen bringt das in Zugzwang, in unterschiedlichem Maße zwar, aber in den meisten Ländern des Nahen Ostens ist die Sache der Palästinenser über Jahrzehnte zu einen Teil der Staatsräson stilisiert worden. Darin spiegelte sich tatsächlich arabische Solidarität und das Mitgefühl mit den Vertriebenen. Aber mit der Zeit wurde die Palästinenser-Frage auch immer stärker instrumentalisiert, um vom Versagen der eigenen Eliten abzulenken und innere Repression und Dominanz des Militärs zu rechtfertigen.

Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate: Kritik, aber nicht zu harsch

Saudi-Arabien äußerte "große Enttäuschung" über Trumps Entscheidung; sie sei "ungerechtfertigt und unverantwortlich". Sie zeige eine "große Voreingenommenheit gegen die historischen und dauerhaften Rechte der Palästinenser in Jerusalem", sie sei ein drastischer Rückschritt in den Bemühungen um Frieden. Das Königreich forderte Trump sogar auf, seine Entscheidung rückgängig zu machen.

Doch während Riad jüngst nach als unbotmäßig empfundenen Äußerungen von Bundesaußenminister Sigmar Gabriel seinen Botschafter zu Konsultationen in die Heimat beorderte, ist über ähnliche oder gar schärfere diplomatische Unmutsbekundungen gegenüber Washington nichts bekannt.

Saudi-Arabien verwies auf die vom verstorbenen König Abdullah entworfene Arabische Friedensinitiative aus dem Jahr 2002 - stellte in seiner Erklärung aber auch heraus, dass Trumps Entscheidung "die unveräußerlichen und erhaltenen Rechte des palästinensischen Volkes in Jerusalem und anderen besetzten Gebieten nicht verändert oder verletzt".

Die Initiative sieht eine Zwei-Staaten-Lösung auf Grundlage der Grenzen von 1967 vor, wobei Israel die größten Siedlungsblöcke im Westjordanland im Zuge eines Gebietstauschs behalten könnte. Überdies soll das Rückkehrrecht der palästinensischen Flüchtlinge in den neuen Staat gewährleistet sein und seine Hauptstadt in Ostjerusalem angesiedelt werden. Im Gegenzug würden die arabischen Staaten Israel anerkennen.

Nun präjudiziert Trump zwar auf israelischer Seite die Hauptstadtfrage und machte auch gegenüber den Palästinensern keine Andeutungen, was er ihnen im Gegenzug anbieten will. Aber er sprach nicht von der ungeteilten Hauptstadt Israels, was einen Anspruch auf Ostjerusalem beinhaltet hätte.

Auch die Vereinigten Arabischen Emirate, die diplomatisch und militärisch äußerst aktive heimliche Großmacht am Golf drückten "tiefe Besorgnis über die Auswirkungen dieser Entscheidung auf die Stabilität der Region" aus, da sie die Gefühle der arabischen und muslimischen Menschen entfache. Eine Sorge, die wohl alle Araber umtreibt, nicht erst seit dem Aufruf der Hamas zu einer neuen Intifada. Und doch bedient sich auch dieses Statement längst nicht der harschen Formulierungen, die aus Abu Dhabi etwa mit Bezug auf Katar zu hören sind.

Die beiden sunnitischen Führungsmächte haben sich gerade zu einer neuen politischen und militärischen Allianz zusammengefunden (und den Golfkooperationsrat der Bedeutungslosigkeit anheimfallen lassen). Deren Ziele liegen zwar noch im Ungefähren - klar ist aber, gegen wen sie sich richtet: Gegen die schiitische Führungsmacht Iran auf der anderen Seite des Persischen Golfs und gegen die Unterstützer des politischen Islam in Form der Muslimbruderschaft - Katar und die Türkei.

Ein dritter Verbündeter für dieses Duo im Kampf gegen die Ambitionen Irans wäre neben den USA: Israel. Mit diesem Land teilt man die Bedrohungsanalyse. Lange vorbei sind die Zeiten, als Israel in Riad oder Abu Dhabi als Hauptfeind galt.

Zwar verweigerten die Emirate jüngst noch einem siegreichen israelischen Judoka bei einem Turnier in Abu Dhabi die Nationalhymne und die Flagge. Eine diplomatische Vertretung unterhält Israel dort allerdings schon seit 2015 - die Mission ist bei der Internationalen Organisation für erneuerbare Energien mit Sitz in Masdar akkreditiert.

Das Interview des israelischen Generalstabschefs Gadi Eizenkot mit der in London beheimateten Redaktion der in saudischen Besitz befindlichen Nachrichten-Website Elaph wurde in Saudi-Arabien als Zeichen einer möglichen engeren Kooperation gewertet. In dem Interview sprach Israels höchster General offen über die Bereitschaft, Geheimdienstinformationen zu teilen. Mit Trump als US-Präsident gebe es die Möglichkeit einer neuen internationalen Koalition gegen Iran und eines "regionalen Plans, um die iranische Bedrohung zu stoppen".

Jenseits inoffizieller Geheimdienst-Kontakte, die es nach Überzeugung westlicher Diplomaten längst gibt, wäre eine engere Kooperation vor allem von der Normalisierung der Beziehungen zwischen den beiden Golfstaaten und Israel abhängig - die ja Teil der Arabischen Friedensinitiative ist.

Die Palästinenser fürchten bereits, von Riad und den USA genötigt zu werden, einen Friedensplan auf deren Basis zu akzeptieren - allerdings mit weitreichenden Zugeständnissen an Israel. Für Trump ist der israelisch-palästinensische Frieden nicht nur Selbstzweck, sondern mehr noch notwendige Bedingung für die Aussöhnung zwischen Israel und manchen der Araber - die Voraussetzung für die ganz breite Front gegen Iran.

Ägypten: Das Problem ist die Hamas

Ägypten könnte damit vermutlich sogar leben, es hat bereits einen Friedensvertrag mit Israel und pflegt jenseits der gelegentlichen populistischen Rhetorik eine enge Sicherheitskooperation mit Israel im Hinblick auf den Gazastreifen und den Nordsinai. Ägypten muss nun zwar fürchten, dass seine Vermittlungsbemühungen zwischen Hamas und Fatah ins Leere laufen und sich womöglich im Gazastreifen die Situation zuspitzt.

Allerdings teilen Ägypten und Israel (und die Emirate) die Ansicht, dass die Hamas das größte Problem ist, entstanden als palästinensischer Ableger der Muslimbruderschaft. Die ist politisch erst richtig unter Druck geraten, als Präsident Abdel Fattah al-Sisi die Grenze abriegeln ließ und dem Schmuggel durch die Tunnel ein Ende setzte. Massenproteste wie früher muss er im repressiven Polizeistaat Ägypten mit seinen restriktiven Demonstrationsgesetzen kaum fürchten - außer wenn das Regime diese aus politischen Erwägungen sehen möchte.

Jordanien: Drei Millionen Einwohner mit palästinensischen Wurzeln

Schwieriger ist die Situation schon für Jordanien. Das haschemitische Königshaus hat eine besondere Funktion als Hüter der heiligen Stätten am Haram al-Scharif - dem Tempelberg - in Jerusalem, also der Al-Aqsa-Moschee und des Felsendoms, die explizit im Friedensvertrag mit Israel von 1994 anerkannt sind. Überdies hat Jordanien bei einer Bevölkerung von knapp zehn Millionen Menschen geschätzt etwa drei Millionen Einwohner mit palästinensischen Wurzeln, von denen viele inzwischen jordanische Pässe haben. Für den König kann sich die Jerusalem-Frage und die Zukunft des Friedensprozesses zu einer existenziellen Legitimitätskrise entwickeln. Jordanien hat für Samstag zusammen mit den Palästinensern eine Dringlichkeitssitzung der Arabischen Liga in Kairo einberufen.

Iran und Türkei könnten die Lage für sich nutzen

Als Profiteure dagegen stehen ausgerechnet die Gegner Saudi-Arabiens und der Vereinigten Arabischen Emirate da: Iran verurteilt "die offenkundigen Verbindungen arabischer Staaten" mit Israel, dessen Existenz zu beenden Staatsdoktrin der Islamischen Republik ist. Katar, lange wichtigster Unterstützer der Hamas, kann auf die Doppelzüngigkeit der beiden großen Golfstaaten verweisen, die eine Blockade gegen den kleineren Nachbarn verhängt haben. Deren Glaubwürdigkeit im breit gefächerten Spektrum der Islamisten wird nur weiter Schaden nehmen. Und auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan sieht das Potenzial, aus der Empörung der Straße Kapital zu schlagen: Er droht, die diplomatischen Beziehungen abzubrechen. Allerdings nicht mit den USA - sondern mit Israel.

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