Nahostkonflikt:Und nachts heulen die Sirenen

**BESTPIX** Day Of Rage Grips Jerusalem And West Bank

An einem Checkpoint bei Ramallah kam es zu Ausschreitungen.

(Foto: Chris McGrath/Getty Images)

Vor einer Woche gab US-Präsident Donald Trump seine umstrittene Jerusalem-Erklärung ab - mit weitreichenden Folgen.

Von Alexandra Föderl-Schmid, Tel Aviv

Eine Woche nach der Erklärung von US-Präsident Donald Trump, Jerusalem als Israels Hauptstadt anzuerkennen, haben sich die Spannungen zwischen Palästinensern und Israelis verschärft. Am Donnerstag sorgte für Aufsehen, dass sich in Ramallah als Palästinenser verkleidete israelische Agenten unter Demonstranten gemischt haben. Im Westjordanland kam es zu Ausschreitungen. Von einer Intifada kann zwar keine Rede sein, für Freitag aber haben Palästinensergruppen erneut zu Protesten aufgerufen. Seit der Trump-Erklärung am 6. Dezember verging fast keine Nacht ohne Sirenenalarm in den Gebieten rund um den Gazastreifen. Auch in der Nacht zum Donnerstag gab es Raketenbeschuss aus Gaza. Zwei Raketen wurden über Israel abgefangen, eine dritte landete auf freiem Feld. Die israelische Armee startete Vergeltungsschläge. Binnen sieben Tagen wurden insgesamt 16 Raketen aus dem Gazastreifen auf israelisches Gebiet abgefeuert, neun explodierten. Das ist die höchste Anzahl seit dem Ende des Gazakrieges 2014.

Den größten Schaden richtete eine Rakete in der israelischen Stadt Sderot am Freitag an, wo ein Kindergarten und Autos beschädigt wurden. Im Gazastreifen wurden zwei Palästinenser bei einem Vergeltungsschlag getötet. Zwei Mitglieder des Islamischen Dschihad haben sich am Dienstag offenbar selbst in die Luft gesprengt. Israels Armee macht offiziell die im Gazastreifen weiter regierende Hamas für die Aktionen verantwortlich. Dies gilt auch für einen aus dem Gazastreifen Richtung Israel gegrabenen Tunnel, der am Sonntag von israelischen Sicherheitskräften entdeckt worden ist - der zweite binnen sechs Wochen. Bei Razzien im Westjordanland wurden am Mittwoch neben drei Dutzend Palästinensern auch der ranghohe Hamas-Führer Hassan Yousef festgenommen.

Aus Geheimdienstkreisen verlautete jedoch, dass man salafistische Fraktionen, die nicht zur Hamas gehören, hinter den Aktionen vermutet. Die Hamas soll sogar Mitglieder dieser Organisationen in den vergangenen Tagen verhaftet haben. Vor allem der Islamische Dschihad ist im Gazastreifen verstärkt präsent. Obwohl ihr Führer Ismail Hanija zu einer neuen Intifada aufgerufen hat, will die Hamas offenbar das Versöhnungsabkommen mit der Fatah von Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas nicht gefährden. Die Übergabe der Ministerien im Gazastreifen an die palästinensische Autonomiebehörde läuft, auch wenn die bereits verlängerte Frist am 10. Dezember erneut nicht eingehalten worden ist. Die Hamas will die Verantwortung für die Versorgung der zwei Millionen Menschen im Gazastreifen loswerden.

Auffallend ist, dass das israelische Militär Vergeltungsangriffe vor allem in der Nacht durchführt, um den Schaden gering zu halten. Erst am Mittwoch wurde vom Geheimdienst die Verhaftung dreier Palästinenser bekannt gegeben, die bereits Ende Oktober erfolgt sein soll. Sie sollen Entführungen geplant haben. Die israelischen Sicherheitsbehörden wollen offenbar keinen Anlass für erneute Unruhen liefern.

Die Bilanz der Auseinandersetzungen eine Woche nach der Trump-Erklärung: Vier tote Palästinenser, mehrere Hundert Verletzte, darunter mindestens zwei Schwerverletzte - ein Wachmann auf dem Jerusalemer Busbahnhof, der von einem Palästinenser mit einem Messer verletzt worden ist, und ein von israelischen Soldaten angeschossener Palästinenser im Westjordanland, der entgegen der Annahmen doch kein Messer bei sich getragen hat.

Einer der Gründe, warum es zu keiner dritten Intifada gekommen ist: Die Erinnerungen an die Tausenden Toten, die die 1987 und 2000 begonnenen Aufstände gekostet haben, sind bei den Palästinensern sehr lebendig. Ein Palästinenserstaat wurde damit nicht erreicht. Die Fatah hat explizit zu friedlichen Protesten aufgerufen - auch in eigenem Interesse. Denn der Zorn vieler Palästinenser auf der Straße richtet sich nicht nur gegen die USA und die israelische Besatzung, sondern auch gegen die eigene Führung und Präsident Abbas.

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