Nahostkonflikt:Palästina hat seine Bedeutung für die islamische Welt verloren

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Auf einsamem Posten: Der Kampf der Palästinenser hat seine Bedeutung für die islamische Welt verloren. (Foto: imago/ZUMA Press)

Nicht alle islamischen Staaten stehen hinter der Entscheidung, Ost-Jerusalem zur Hauptstadt Palästinas zu erklären. Von dieser Spaltung kann nur ein Land profitieren: Iran.

Kommentar von Paul-Anton Krüger

Das hat sich der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan eigentlich geschickt ausgedacht: Er richtet in Istanbul ein Gipfeltreffen der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC) aus, um gegen die Entscheidung von US-Präsident Donald Trump zu protestieren, Jerusalem im Alleingang als Hauptstadt Israels anzuerkennen und die US-Botschaft dorthin zu verlegen. Angesichts der Geschichte der OIC wäre ein einhelliger Aufschrei zu erwarten gewesen. Doch statt Einigkeit demonstriert die muslimische Welt in Istanbul, wie gespalten sie ist - und dass Jerusalem und die Palästinenserfrage jenseits ritueller Rhetorik ihre zentrale Bedeutung zu guten Teilen eingebüßt haben.

Selbst Trumps Israel-Politik eint die muslimischen Länder nicht

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Das beschlossen die Staats- und Regierungschefs von 20 mehrheitlich islamischen Staaten auf einem Gipfeltreffen in Istanbul.

Die Organisation für Islamische Zusammenarbeit ist ein Zusammenschluss von 56 Staaten, in denen der Islam Staatsreligion ist oder Muslime zumindest einen Großteil der Bevölkerung stellen. Sie nimmt für sich in Anspruch, die Interessen von 1,8 Milliarden Muslimen zu vertreten, was den Islam nach dem Christentum zur zweitgrößten Religionsgemeinschaft macht. Gegründet wurde die OIC 1969, um als "gemeinsame Stimme der muslimischen Welt" die Interessen der Muslime zu schützen, und zwar im Geiste des internationalen Friedens.

Genau genommen war die Eroberung Jerusalems im Sechstagekrieg 1967 durch Israel der Anlass der Gründung. Die Al-Aksa-Moschee, den Felsendom und ganz Jerusalem zu befreien, galt den Gründungsmitgliedern als vornehmste Pflicht der Gläubigen. Darin wusste sich das saudische Königreich einig mit dem noch vom Schah regierten Persien, obschon der Schah, anders als die Araber, enge Beziehungen zum jüdischen Staat pflegte. Dem sahen sich auch die haschemitische Monarchie in Jordanien unter dem damaligen König Hussein und das Ägypten Gamal Abdel Nassers verpflichtet. Beide Länder schlossen später Friedensabkommen mit Israel, die zu ihrer Zeit äußerst umstritten waren.

Heute spricht es Bände, dass in Istanbul Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate - zwei Führungsmächte der arabisch-sunnitischen Welt - nicht auf höchster Ebene vertreten sind. Sie betrachten das schiitische Regime Irans mit seinen regionalen Ambitionen als größte Bedrohung und wollen ihre Allianz mit den USA Trumps nicht brechen. Von ihm erhoffen sie sich, dass er, anders als der am Golf verhasste Vorgänger Barack Obama, Iran entschlossen entgegentritt. Israel gilt ihnen als potenzieller Partner. Man ist durch gemeinsame Interessen verbunden.

Einig steht dieses Duo mit Ägypten und anderen arabischen Staaten gegen den politischen Islam der Muslimbruderschaft. Monarchen und starke Männer von Riad bis Kairo sehen in ihnen eine Bedrohung ihrer undemokratischen Herrschaftsmodelle - und Erdoğan ist neben Katar der wichtigste Unterstützer der Islamisten. Ihm wird überdies nicht grundlos unterstellt, er wolle in der Tradition der Osmanen Einfluss bis weit in die arabische Welt ausüben und sich als Sultan zum weltweiten Führer der Muslime aufschwingen. Gefolgschaft vermag er so nicht zu generieren.

Lachende Dritte angesichts der Kabalen sind Iran und dessen Verbündete wie die Hisbollah. Sie können sich als Retter der Palästinenser aufspielen und die Araber mit dem Vorwurf der Doppelzüngigkeit spalten. Die berüchtigte "arabische Straße" wissen sie auf ihrer Seite. Auch wenn sie längst nicht mehr der furchteinflößende Machtfaktor von einst ist - Iran unterminiert so die Legitimität der arabisch-sunnitischen Regime. Es ist nicht unvorstellbar, dass die Hisbollah in einen Krieg gegen Israel zieht. Dass es dabei primär um die Sache der Palästinenser ginge, wäre allerdings eine Lüge. Ein Waffengang würde diese dem ersehnten eigenen Staat nicht einen Millimeter näher bringen.

© SZ vom 14.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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