Süddeutsche Zeitung

Nahostkonflikt:Israel erwartet "Tage des Zorns"

  • Mehr als 100 000 Menschen werden zu den Protesten in Israel und den palästinensischen Gebieten erwartet.
  • Bereits am Wochenende kam es zu Ausschreitungen; das Auswärtige Amt mahnt Israel-Besucher zu Vorsicht.
  • Zur Eröffnung der US-Botschaft reisen unter anderem Donald Trumps Tochter Ivanka und deren Mann Jared Kushner an.

Von Alexandra Föderl-Schmid, Jerusalem

In Israel und den palästinensischen Gebieten bereitet man sich auf die massivsten Proteste seit Jahren vor. Palästinenser haben zu "Tagen des Zorns" aufgerufen, es wird erwartet, dass sich mehr als 100 000 Menschen beteiligen. Im Westjordanland, entlang des Gazastreifens und in Ostjerusalem werden gewaltsame Auseinandersetzungen erwartet. Anlass sind der 70. Jahrestag der Staatsgründung Israels und die Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem am Montag. Am Dienstag ist Nakba-Tag, an dem die Palästinenser an ihre Flucht und Vertreibung erinnern.

Die Sicherheitsvorkehrungen in Israel und im besetzten Westjordanland wurden erhöht. Die israelische Armee kündigte an, dass die Truppenpräsenz entlang des Gazastreifens verdoppelt und im Westjordanland verstärkt werde. Bisher waren rund hundert Scharfschützen am Gazastreifen positioniert.

Die israelische Armee rechnet mit Ausschreitungen

Der Chef der im Gazastreifen regierenden radikalislamistischen Hamas, Jahia Sinwar, hatte die Palästinenser in den vergangenen Tagen ermutigt, die Grenzanlage zu überwinden. "Was ist das Problem, wenn Hunderttausende einen Zaun durchbrechen, der keine Grenze ist?", sagte Sinwar. Armeesprecher Jonathan Conricus richtete eine Warnung an die Hamas. "Wir haben die Information, dass die Hamas die Proteste für terroristische Aktivitäten nutzt. Wir sind entschlossen, jegliches Eindringen zu verhindern." Es werde massiven Tränengaseinsatz geben. Wenn notwendig, werde auch scharf geschossen. Seit Beginn der Protestkundgebungen vor sieben Wochen wurden mehr als 50 Palästinenser erschossen, zuletzt erlag ein 15-Jähriger am Samstag seinen Verletzungen.

Sonntagnacht veröffentlichte die Armee ein Video, das als Warnung an die israelische Bevölkerung, aber wohl auch an die Hamas gerichtet war. Darin wird verwiesen, dass die Hamas Häuser zerstört habe, Agrarland angegriffen und "unschuldige Männer, Frauen und Kinder massakriert habe. "Die Hamas plant, ein Massaker in Israel durchzuführen. Die israelischen Streitkräfte werden sie daran hindern." Es wird gewarnt, dass bis zu 250 000 Menschen an den Protesten im Gazastreifen teilnehmen und Hunderte versuchen könnten, den Grenzzaun zu durchbrechen und in die umliegenden Orte auf israelischer Seite zu gelangen.

Auch im Westjordanland wird mit Ausschreitungen gerechnet. Bereits am Sonntag kam es aus Anlass des Jerusalem-Tages, an dem Israelis die Eroberung des Ostteils der Stadt 1967 feiern, zu Konflikten zwischen Juden und Muslimen rund um den Tempelberg, nachdem junge Männer eine israelische Flagge gehisst hatten.

Am späten Sonntagnachmittag nahmen Zehntausende Israelis und Unterstützer aus dem Ausland an einem Marsch anlässlich der Besetzung des Ostteils der Stadt 1967 teil.

Ivanka Trump und Jared Kushner reisen zur Eröffnung an

Das Auswärtige Amt in Berlin mahnte Israel-Besucher zu Vorsicht in den nächsten Tagen. Gewalttätige Ausschreitungen seien nicht auszuschließen. Auch US-Einrichtungen sollten am Montag gemieden werden. Die USA haben unterdessen den Schutz ihrer Einrichtungen in islamischen Ländern aus Furcht vor Angriffen wegen der Verlagerung der Botschaft verstärkt. Zu deren Eröffnung reisten unter anderem Donald Trumps Tochter Ivanka und deren Mann Jared Kushner nach Israel.

Anlässlich der Botschaftsverlagerung lud am Sonntagabend das von Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu geleitete Außenministerium zu einer Feier. Von 86 Botschaftern nahmen 33 die Einladung an, darunter vier aus der EU - aus Österreich, Tschechien, Ungarn und Rumänien. Die drei osteuropäischen Länder hatten zuletzt eine Erklärung mit der Versicherung verhindert, dass die EU-Staaten ihre Botschaften nicht von Tel Aviv nach Jerusalem verlegen werden. Die Palästinenser beanspruchen den von Israel annektierten Ostteil Jerusalems als künftige Hauptstadt eines eigenen Staates. Auch Guatemala und Paraguay wollen ihre Botschaften nach Jerusalem verlegen.

Netanjahu betonte, dass Jerusalem "für immer Israels Hauptstadt bleiben" werde, Jerusalems Bürgermeister Nir Barkat sprach "vom Beginn einer neuen Weltordnung".

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3978323
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 14.05.2018/eca
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.