Nahostkonflikt:Insel-Lösung

Warum ein israelischer Minister Land vor dem Gazastreifen aufschütten will - und vielen das gar nicht so recht ist.

Von Peter Münch

In der schönen neuen Welt wird der Gazastreifen erblühen, und in einem Werbevideo ist das jetzt schon zu sehen: Vor der Küste des kargen palästinensischen Landstrichs soll eine künstliche Insel erschaffen werden mit allem, was das Leben leichter macht: einem Hafen zur Anlieferung der dringend benötigten Güter und zum Export, einer Trinkwasser-Entsalzungsanlage und einem Kraftwerk für die Stromerzeugung. Sogar an eine Marina ist gedacht, wo Privatboote liegen und der Personenverkehr abgewickelt werden kann. Über eine fünf Kilometer lange Brücke soll diese Insel mit dem Festland verbunden sein. Es ist ein Traum, eine Zukunftsvision für den von zwei Millionen Menschen bevölkerten Elendsstreifen - und erdacht wurde sie ausgerechnet vom Erzfeind in Jerusalem.

Die künstliche Insel vor Gaza ist das Lieblingsthema des israelischen Ministers Israel Katz, der in einer ungewöhnlichen Kombination für den Verkehr und die Geheimdienste zuständig ist. Seit Langem wirbt er dafür, den mit einer israelischen Blockade gestraften Palästinensern in Gaza "einen Zugang zur Welt zu verleihen, ohne Israels Sicherheit zu gefährden". Weder im Kabinett noch bei der im Gazastreifen herrschenden Hamas hat er bislang breite Unterstützung erfahren. Doch Katz ließ nicht locker und sprach zuletzt gern davon, dass er nun positive Reaktionen aus den USA und der arabischen Welt erhalte. Deshalb hat sein Ministerium jetzt das drei Minuten lange Video verfertigt und in Hollywood-Manier mit Filmmusik unterlegt.

Immerhin liegt damit ein konkreter Lösungsvorschlag für die humanitäre Katastrophe in Gaza auf dem Tisch. Drei Kriege wurden hier zwischen Israels Armee und der Hamas seit 2008 geführt, die Bewohner müssen mit drei bis vier Stunden Strom am Tag auskommen, das Trinkwasser ist verschmutzt und das Abwasser fließt ungeklärt ins Mittelmeer. Die Vereinten Nationen warnten bereits, dass der Gazastreifen schon 2020 unbewohnbar sein könnte. Selbst israelische Sicherheitsexperten fordern dringend, Druck aus dem Kessel zu lassen durch eine Verbesserung der Lebensbedingungen.

Der Bau einer solchen Insel käme also gerade recht. Doch vieles ist ungeklärt bei diesem Plan, vor allem die Kostenfrage. Fünf Milliarden Dollar werden für das Projekt veranschlagt, die Katz natürlich nicht aus dem israelischen Staatshaushalt aufbringen will. Er hofft vielmehr auf private Investoren, konkret: auf die reichen Golf-Araber. Für die Sicherheit und dafür, dass über den Inselhafen keine Waffen an die Hamas geliefert werden, soll weiter Israel zuständig sein, unterstützt von einer internationalen Polizeitruppe.

Aus Sicht von Minister Katz wäre Israel mit dem Inselbau in Gaza weitgehend aus der Verantwortung entlassen - und genau daran entzündet sich auch Kritik. Das Projekt würde die Isolation des Küstenstreifens noch verstärken, heißt es, und damit würde die angestrebte palästinensische Staatsgründung noch weiter erschwert. Katz aber ficht auch das nicht an. "Es muss ein Weg gefunden werden, die Hamas in Gaza unter Kontrolle zu halten und den Bewohnern ein besseres Leben zu ermöglichen", argumentiert er. "Das schafft eine bessere Zukunft für den Nahen Osten."

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