Nahostkonflikt:Hamas gräbt sich nach Israel

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Palästinensische Kämpfer posieren 2014 unter der Erde, im Grenzgebiet zwischen Gaza und Israel. (Foto: Mohamed Salem/Reuters)

"Mein Nachbar meint, er hört sie graben": In Israel wächst die Angst vor den Tunnelbauten der Hamas.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Die Bewohner an der Grenze zum Gazastreifen haben sich ja an so manches gewöhnen müssen. An das Heulen der Sirenen, an Raketeneinschläge und daran, dass der rituelle Schlagabtausch mit der Hamas in den vergangenen sieben Jahren schon zu drei Kriegen eskaliert ist.

Doch in diesen Tagen ist noch eine neue Belastung dazugekommen. Nachts ist von tief unten her ein Lärm zu vernehmen, der die Menschen in den dort angesiedelten Kibbuzim um den Schlaf zu bringen droht.

"Ich höre Hämmer und Meißel", sagte einer der Anwohner, "und mein Nachbar meint, er hört sie graben."

Bauarbeiten im Untergrund - das kann wohl nur eines bedeuten: Es werden wieder Tunnel ausgehoben im Grenzgebiet, und das weckt die schlimmsten Befürchtungen. Denn durch solche unterirdischen Geheimgänge könnten jederzeit die Kämpfer der palästinensischen Kassam-Brigaden auftauchen und Israelis als Geiseln nach Gaza verschleppen.

Schon im Sommer 2014 hatten die Tunnel den Krieg angeheizt und Israels Armee zu einer verlustreichen Bodenoffensive provoziert. Am Ende der 50-tägigen Kämpfe meldete die Regierung in Jerusalem, dass Dutzende Tunnel zerstört worden seien.

Teils waren sie so professionell gebaut, dass in Israel der böse Witz kursierte, man solle die Maulwürfe der Hamas doch nicht einfach über den Haufen schießen, sondern sie gefangen nehmen, damit sie in Tel Aviv endlich die lange geplante U-Bahn bauen könnten.

Doch natürlich graben die palästinensischen Baumeister lieber im heimischen Sand, und es gab nie einen ernsthaften Zweifel daran, dass sie sich nach dem Krieg statt an den Wiederaufbau sofort wieder im Geheimen ans Tunnelwerk machen würden.

Tunnel im Zentrum der Hamas-Strategie

Das Geheimnis aber hat nun die Hamas selbst gelüftet. Das ist ungewöhnlich, aber war wohl unvermeidbar, nachdem in der vorigen Woche sieben Kassam-Kämpfer beim Einsturz eines Tunnels zu Tode gekommen waren. Bei der Trauerfeier in der Al-Omari-Mosche von Gaza-Stadt erklärte Hamas-Führer Ismail Hanija die Männer zu Helden, die gestorben seien, "um das palästinensische Volk zu verteidigen und die heiligen Stätten zu befreien".

Zugleich prahlte er, die neuen Tunnel seien doppelt so lang wie jene des Vietcong, und die sind immerhin legendär. Niemand solle glauben, dass die aktuelle Zeit der Ruhe eine Zeit des Rastens sei im Gazastreifen, warnte er. Vielmehr würden sich die Kämpfer auf die nächste Runde der militärischen Auseinandersetzung vorbereiten.

Die Tunnel stehen dabei zweifellos im Zentrum der Hamas-Strategie, weil auf diesem Weg die Israelis schmerzhaft getroffen werden könnten, während die Raketen in der Regel vom Abwehrsystem Iron Dome abgefangen werden. Kein Wunder also, dass Hanijas angriffslustige Trauerrede sogleich ein lautes Echo in Jerusalem fand.

Premierminister Benjamin Netanjahu drohte, dass Israel bei Attacken aus den Tunneln mit "größerer Härte" zurückschlagen würde als im Krieg von 2014. Schnell brandete eine Diskussion über mögliche Präventivschläge auf.

An vorderster Front zeigte sich dabei Oppositionsführer Isaac Herzog, Chef der früher einmal friedensbewegten Arbeitspartei. "Worauf warten der Premier und der Verteidigungsminister noch?", rief er bei einem Besuch im Grenzgebiet und forderte ein Bombardement der Tunnel. Das Problem, dass niemand so genau weiß, wo sie verlaufen, scherte ihn dabei wenig.

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Doch angesichts des wachsenden Drucks und der Angst der Bevölkerung demonstriert nun auch die Armee Tatkraft. Ein für die südliche Front zuständiger Brigadegeneral versicherte den Anwohnern, dass alles getan werde, um die Tunnel aufzuspüren.

USA investieren in Tunnelsuche

Als gute Nachricht wurde zudem verbreitet, dass die USA 120 Millionen Dollar bereitstellten, um ein elektronisches System zum Aufspüren der Tunnel zu errichten. Damit wäre der Hamas wohl der giftigste Zahn gezogen. Die schlechte Nachricht ist allerdings, dass der dadurch entstandene Zeitdruck die Islamisten zu einem baldigen Überraschungsangriff motivieren könnte.

Die Spannung ist also groß im Grenzgebiet, und sie hat sich dadurch verstärkt, dass in den vergangenen Tagen zwei weitere Tunnel dadurch entdeckt wurden, dass sie kollabierten. Dafür wurden zunächst starke Regenfälle verantwortlich gemacht. Auch über Baumängel wurde spekuliert.

Doch dann kam ein anderer Verdacht auf. Generalmajor Yoav Mordechai, der Koordinator für Regierungsangelegenheiten in den palästinensischen Gebieten, wurde von der im Westjordanland ansässigen Nachrichtenagentur Maan gefragt, ob Israel die Hand im Spiel habe bei der Serie von Tunneleinstürzen. Die knappe Antwort: "Das weiß nur Gott allein."

© SZ vom 06.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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