Nahostkonflikt:Erklärungsnot nach Redeverbot

Der DGB lädt eine CDU-Bundestagsabgeordnete aus, weil sie nicht israelkritisch genug ist. Jetzt hat der Gewerkschaftsbund einigen Ärger und der Nahostkonflikt ist auch in Ostfriesland angekommen.

Von Matthias Drobinski

Sie haben einiges zu erklären, die Gewerkschafter vom DGB rund um Leer. Dorothee Jürgensen, die Geschäftsführerin der Region Oldenburg-Ostfriesland, telefoniert sich das Ohr wund und sagt seufzend: "Jetzt bricht der Himmel über uns zusammen." Sie spricht von Missverständnissen. Der Gaza-Krieg ist angekommen in Ostfriesland. Und er bringt mit sich, dass man einander nicht versteht.

Der DGB im Kreis Nördliches Emsland hat die CDU-Bundestagsabgeordnete Gitta Connemann aus Leer ausgeladen. Die sollte am 7. September zum Antikriegstag im ehemaligen Konzentrationslager Esterwegen sprechen; im Engagement gegen Antisemitismus sind sich der DGB-Kreisverband und die CDU-Abgeordnete verbunden. Doch dann ist Gitta Connemann nach Israel gefahren, zum Solidaritätsbesuch mit Politikern von CDU, SPD und FDP; mit dabei ein Team der Bild-Zeitung. Es gibt ein Foto mit Israels Außenminister Avigdor Lieberman, einem Freund des harten Durchgreifens in allen Lebenslagen.

Zu Hause hat dann Frau Connemann der Neuen Osnabrücker Zeitung ein Interview gegeben. Israel müsse sich gegen den Terror verteidigen, sagt sie. Der Reporter fragt: "Während Ihres Besuchs wurde eine UN-Schule im Gazastreifen angegriffen. Mindestens 40 Menschen kamen ums Leben, darunter waren auch Kinder. Hat Israel ein Recht dazu?" Sie antwortet: "Jeder Tote ist zu viel. Aber seit 2006 wird Israel beschossen und hat ein Recht auf Selbstverteidigung."

Große Empörung im nördlichen Emsland

Die Empörung sei daraufhin groß gewesen im DGB Nördliches Emsland, sagt Dorothee Jürgensen. So groß, dass sie gemeinsam mit Kreischef Anton Henzen Gitta Connemann schrieb: "Ihre einseitige Stellungnahme zum Krieg in Israel widerspricht unseren DGB-Grundsätzen" - der Tod von Zivilisten sei nicht mit Selbstverteidigung zu rechtfertigen. Die Abgeordnete wiederum nennt es in einem offenen Brief eine "ungeheuerliche Unterstellung", dass sie den Tod von Zivilisten rechtfertige. Dass ihr nun das Wort entzogen werde, verdiene "nur eine Beurteilung - Intoleranz".

Dumm, dass die Bild-Zeitung beim Streit quasi live mit dabei war: "DGB lädt Hamas-Gegnerin aus" - die Schlagzeile kommt dem Gewerkschaftsbund arg ungelegen. Man habe doch nur verhindern wollen, dass die Gedenkveranstaltung gestört werde, zum Beispiel durch Zwischenrufe, sagt Frau Jürgensen. Hätte man nicht einfach den Dissens stehen lassen können, ohne die Rednerin auszuladen? "Ja, hätte man", sagt Dorothee Jürgensen. Jetzt könne sie nur versichern, wie sehr sie Frau Connemann schätze und dass sie mit ihr gerne unter vier Augen reden würde.

Das wird wohl noch ein bisschen dauern. Gitta Connemann ist jetzt erst einmal im Urlaub.

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