Süddeutsche Zeitung

Nahostkonflikt:Erdoğan attackiert Israel mit Nazi-Vergleich

  • Recep Tayyip Erdoğan sagte: "Die Kinder der Menschen, die im Zweiten Weltkrieg in Konzentrationslagern auf jede erdenkliche Weise gefoltert wurden, greifen heute leider mit Methoden, die denen der Nazis quasi in nichts nachstehen, unschuldige Palästinenser an."
  • Erdogan bezichtigt auch die USA, Teil des Problems zu sein.
  • Der Menschenrechtsrat der UN will unterdessen eine Untersuchungskommission in den Gazastreifen schicken.
  • Israel weist alle Vorwürfe entrüstet zurück.

Recep Tayyip Erdoğan arbeitet an einer Front islamischer Staaten gegen Israel und die USA. Auf einem von ihm einberufenen Sondergipfel der Organisation für islamische Kooperation (OIC) verglich der türkische Staatspräsident das Vorgehen Israels gegen Palästinenser in Gaza mit Methoden der Nationalsozialisten im Dritten Reich.

"Zwischen der Grausamkeit, die vor 75 Jahren in Europa an den Juden begangen wurde, und der Brutalität, der unsere Brüder aus Gaza heute ausgesetzt sind, besteht überhaupt kein Unterschied", sagte er am Freitagabend in Istanbul. "Die Kinder der Menschen, die im Zweiten Weltkrieg in Konzentrationslagern auf jede erdenkliche Weise gefoltert wurden, greifen heute leider mit Methoden, die denen der Nazis quasi in nichts nachstehen, unschuldige Palästinenser an."

Die verbale Eskalation zwischen Erdoğan und dem Staat Israel hatte sich bereits zuvor auf einer Großkundgebung angedeutet. Dort rief Erdoğan Muslime zur Geschlossenheit auf. "Wir laden die Muslime in aller Welt dazu ein, sich einen Ruck zu geben, aufzustehen und sich aufs Neue zu erheben." Dabei forderte er die Israelis auf, sich gegen die Politik ihrer Regierung zu stellen. "Ich hoffe, dass ein Volk, das Holocaust-Opfer ist, die Verbrechen gegen die Menschlichkeit nicht billigen wird, die ihr eigener Staat an einem anderen Volk begeht." Sein Ministerpräsident Binali Yildirim warf Israel bei der Kundgebung Völkermord an den Palästinensern vor. "Diese Gewalt, die Israel ausübt, nennt man Genozid und ethnische Säuberung", sagte er.

Anfang der Woche war es am Grenzzaun zwischen dem Gazastreifen und Israel zu Gewalt gekommen. Die Palästinenser hatten gegen die Staatsgründung Israels vor 70 Jahren und ihre damalige Vertreibung sowie gegen die Verlegung der amerikanischen Botschaft nach Jerusalem protestiert. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums in Gaza gab es am Montag 60 Tote, am Dienstag zwei weitere. Insgesamt wurden an beiden Tagen rund 3000 Palästinenser verletzt.

Israel wehrt sich

Nun will der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen eine Untersuchungskommission in den Gazastreifen schicken. Experten sollten prüfen, ob dort das humanitäre Völkerrecht und die Menschenrechte verletzt wurden, wie es in einer am Freitag in Genf verabschiedeten Resolution heißt. 29 Länder sprachen sich dafür aus, die USA und Australien dagegen. 14 Länder enthielten sich der Stimme, darunter Deutschland.

Israel wies die Resolution als einseitig zurück. "Sie beweist einmal mehr, dass es sich um eine Organisation mit einer automatischen anti-israelischen Mehrheit handelt, in der Heuchelei und Absurdität die Oberhand haben", hieß es in einer Mitteilung des Außenministeriums in Jerusalem. Auch der UN-Sicherheitsrat zieht die Entsendung einer "internationalen Schutzmission" in den Gazastreifen in Erwägung. Dem von Kuwait erstellten Resolutionsentwurf droht allerdings ein Veto von den eng mit Israel verbündeten USA.

UN-Menschenrechtskommissar Zeid Ra'ad al-Hussein hatte zuvor erklärt, die zahlreichen Todesfälle im Gazastreifen seien "durch illegale Gewaltanwendung" erfolgt. Der "starke Gegensatz" zwischen den Opferzahlen auf beiden Seiten deute darauf hin, dass Israels "Antwort völlig unverhältnismäßig" gewesen sei. Der Jordanier warnte, dass "Tötungen durch die unrechtmäßige Anwendung von Gewalt durch eine Besatzungsmacht" als "gezielte Tötungen" gewertet werden könnten. Zeid forderte zudem ein Ende der israelischen Besatzung und die "Befreiung" der im Gazastreifen eingeschlossenen Palästinenser. Diese seien "von der Geburt bis zum Tod in einem Elendsquartier gefangen".

Nicht alle folgten Erdoğans Einladung

Israels UN-Botschafterin in Genf, Aviva Ras Schechter, sagte dagegen, für die Toten am Montag sei allein die im Gazastreifen herrschende islamistische Hamas-Bewegung verantwortlich. Auch der US-Vertreter Theodore Allegra sagte, der Menschenrechtsrat schlage sich auf eine Seite und "ignoriere den wirklich Schuldigen" für die Gewalt, die Hamas.

Erdoğan übte am Freitag zudem scharfe Kritik an den USA. "Die Vereinigten Staaten von Amerika haben Israel belohnt, das mit seiner Besatzungspolitik dem Apartheidregime in nichts nachsteht, und die Palästinenser bestraft, die immer wieder bewiesen haben, dass sie Frieden wollen", sagte er. "An den Händen der Vereinigten Staaten von Amerika, die mit ihrer Jerusalem-Entscheidung den Boden für Israels Massaker bereitet haben, klebt das Blut von unschuldigen Palästinensern." Die USA seien in der Region "nicht mehr Teil der Lösung, sondern des Problems".

Erdoğan hatte das Spitzentreffen der OIC, die 57 Staaten umfasst, erst am Dienstag einberufen. Auf der Teilnehmerliste des türkischen Außenministeriums fanden sich neben Erdoğan nur zwölf Staats- und Regierungschefs. Die Türkei hat derzeit den OIC-Vorsitz inne.

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