Weil sie an propalästinensischen Aktionen in Berlin teilgenommen haben, wollen Berliner Behörden drei EU-Bürger und eine Person aus den USA ausweisen. Die Senatsinnenverwaltung begründet ihre Entscheidung vor allem mit ihrer Teilnahme an einer Blockade an der Freien Universität Berlin. Bei dieser Aktion im Oktober 2024 beschmierten rund 20 Personen Wände; Vermummte versuchten, in ein Gebäude der Universität einzudringen und es zu besetzen. Dabei sollen die Aktivisten Uni-Mitarbeiter mit Äxten, Sägen, Brecheisen und Knüppeln bedroht haben.
Die Behörden werfen ihnen Landfriedensbruch, Beleidigung und das Rufen verbotener Parolen wie „From the River to the Sea“ vor. Bislang kam es aber zu keinen Verurteilungen, in einem Fall sogar zu einem Freispruch. Zuvor hatten mehrere Medien über den Fall berichtet, allen voran die Nachrichtenseite The Intercept.
Bei den Aktivisten handelt es sich um zwei irische Staatsbürger, 29 und 31 Jahre alt, eine 35-jährige Person aus Polen und eine 27 Jahre alte Person aus den USA. Sie waren in den vergangenen Monaten in der propalästinensischen Szene aktiv und haben bei mehreren Aktionen protestiert. Bei der Demonstration an der FU hat die Polizei sie vorläufig festgenommen.
Es geht auch um die Staatsräson – das Bekenntnis, Israel beizustehen
Die Ausweisungsbescheide, die mehreren Medien vorliegen, haben die jungen Menschen nun im März erhalten. „Ihre Ausweisungen werden auch zur Abschreckung anderer Ausländer für notwendig erachtet“, zitierte der Spiegel aus den Unterlagen. Demnach stützt sich ein Bescheid auf die Staatsräson – das Bekenntnis des deutschen Staates, dem israelischen beizustehen.
Doch intern war die Entscheidung der Behörden umstritten, das legen jedenfalls die zitierten Dokumente nahe. Die Anordnung, die Aktivisten auszuweisen, kam demnach von der Senatsinnenverwaltung. Das dafür zuständige Landesamt für Einwanderung (LEA) zweifelte an dieser Entscheidung. Die Rechtsgrundlage, den drei EU-Bürgern ihre Freizügigkeit zu entziehen, sei unzureichend, hieß es. Durchgesetzt hat sich letztlich die Senatsinnenverwaltung, die in diesen Fragen die Hoheit besitzt.
Der Anwalt nennt das Vorgehen „bewusst politisch“
Der Anwalt der zwei irischen Staatsbürger, Alexander Gorski, bezeichnet gegenüber der SZ das Vorgehen der Berliner Behörden als „bewusst politisch“. Als Beispiel verweist er auf die Aussagen des Regierenden Bürgermeisters Kai Wegner (CDU) in der Welt, der die Demonstranten als „Straftäter“ bezeichnete, obwohl niemand verurteilt wurde. Bis dahin gelte die Unschuldsvermutung, betont Gorski. An diesem Fall zeige sich, dass die Behörden „das Migrationsrecht als Repressionsinstrument nutzen, um soziale Bewegungen und missliebige Meinungen zu unterbinden“.
Das sieht Wegner hingegen anders: Wer das Existenzrecht Israels infrage stelle oder antisemitische Gewalt verherrliche, überschreite eine rote Linie, sagte er. Der angeordnete Verlust der Freizügigkeit sei deshalb „richtig und notwendig“. Kritik kam von der Bundestagsabgeordneten Clara Bünger (Linke). „Unter der Leitung von Kai Wegner greift das Land Berlin die Versammlungs- und Meinungsfreiheit an“, sagte sie der Welt.
Gorski hat einen Eilantrag beim Berliner Verwaltungsgericht eingereicht. Wann über diesen entschieden werde, sei noch unklar, so die Gerichtssprecher. Solange nicht über den Antrag entschieden wurde, müssten die Aktivisten aber nicht ausreisen. „Für sie ist es eine unglaublich belastende Situation“, sagt Anwalt Gorski. Seit Jahren hätten die Betroffenen hier ihren Lebensmittelpunkt. Einer arbeite als Softwareingenieur, der andere in einem Café. Die 35-jährige Person aus Polen etwa lebt seit über 25 Jahren nicht mehr in ihrem Heimatland.
Gorski zeigt sich für seinen Fall optimistisch. Er bezweifelt, dass die Staatsräson als Entscheidungsgrundlage ausreiche, um einer Person das Aufenthaltsrecht zu entziehen. „Die Hürden, insbesondere EU-Bürger abzuweisen, sind unheimlich hoch“, sagt der Anwalt. „Und wir gehen stark davon aus, dass auch das Verwaltungsgericht es genauso sehen wird.“ Für die Person mit US-amerikanischer Staatsbürgerschaft wäre eine Abschiebung aber am weitreichendsten: Sie könnte für zwei Jahre weder nach Deutschland noch in eines der übrigen 28 Länder des Schengenraums einreisen.