Süddeutsche Zeitung

Nahost:Wohnungszuschüsse und mehr

Minister der palästinensischen Autonomiebehörde haben sich großzügig die eigenen Gehälter erhöht. Die Enthüllung löst Empörung in der Bevölkerung aus - zumal die Finanznot in Ramallah ohnehin groß ist.

Von Alexandra Föderl-Schmid, Tel Aviv

Nach und nach tauchten in den vergangenen Tagen Dokumente in den sozialen Medien auf, die belegten: Die Mitglieder der palästinensischen Autonomiebehörde haben 2017 hohe Gehaltserhöhungen und Zulagen genehmigt bekommen. Das war bisher geheim gehalten worden. Von 3000 auf 5000 Dollar stiegen die monatlichen Gehälter der Minister an, das Salär des Premierministers kletterte auf 6000 Dollar.

Zusätzlich gab es für Minister, die außerhalb von Ramallah leben, dem Sitz der Autonomiebehörde, noch 10 000 Dollar pro Jahr als Wohnungszuschuss. Aber auch wer in Ramallah bereits einen Wohnsitz hatte, kam in den Genuss der Zulage, zeigen Dokumente. Durch die Umwandlung der Beträge von Dollar in Schekel profitierten die Kabinettsmitglieder noch einmal durch den für sie günstigeren Wechselkurs - ein Plus von 17 Prozent.

Im Westjordanland lösten diese Enthüllungen breite Empörung bei der Bevölkerung aus. Denn eigentlich gilt ein 2004 beschlossenes Gesetz, wonach die Ministergehälter eingefroren bleiben. Außerdem wurde bekannt, dass die Anhebungen der Gehälter noch dazu rückwirkend ab 2014in Krafat traten, als die von Rami Hamdallah geführte Regierung ins Amt kam. Damit erhielten die Minister einmalig einen hohen Nachschlag von mehreren Tausend Dollar ausbezahlt.

Der frühere Ministerpräsident Hamdallah, der bis Januar die Regierungsgeschäfte geführt hat, verteidigte die Anhebung in einer dürren Erklärung: "Die Minister erbaten die Anhebung 2017 von Präsident Abbas, der sie genehmigt und dabei die gestiegenen Lebenserhaltungskosten berücksichtigt hat." Von Präsident Mahmud Abbas gab es mit Mittwochnachmittag keine Stellungnahme.

Die Umfragewerte des ohnehin unpopulären Präsidenten werden durch diese Aktion nicht erhöht werden. In den sozialen Medien äußerten viele Palästinenser ihr Unverständnis darüber und bezichtigten das Führungspersonal der Vetternwirtschaft. Der Unmut ist auch deshalb groß, weil es im Westjordanland wirtschaftlich nicht gut läuft, die Arbeitslosenquote liegt bei 20 Prozent. Das Durchschnittseinkommen eines Verwaltungsangestellten beträgt rund 800 Euro.

Der Mitte April mit einer neuen Regierung als Premierminister angetretene Mohammed Schtaje sah sich angesichts der heftigen Kritik gezwungen, rasch Schritte zu setzen. Er verwies die Angelegenheit an den Präsidenten, dieser solle sich "die Gehaltserhöhungen noch einmal anschauen und Maßnahmen ergreifen". Er kürzte jedoch sofort die Gehälter der Minister auf die Hälfte - wie es bei den meisten Regierungsangestellten bereits geschehen war. Denn die Regierung steckt in einer finanziellen Krise. Israel behält rund 138 Millionen Dollar an Steuereinnahmen zurück, die für die Palästinenser eingenommen und normalerweise weiter transferiert werden.

Israel behält das Geld ein mit dem Argument, dass die Autonomiebehörde den Angehörigen von Israel getöteter Palästinenser oder von palästinensischen Gefangenen in israelischen Gefängnissen finanzielle Mittel zukommen lässt. Dies ermutige zu weiteren Angriffen. Die Palästinenser sehen dies als notwendige Unterstützung an, wenn der Familienernährer wegfällt. Aus Protest gegen die von Israel vorgenommene Kürzung bei den Steuereinnahmen lehnt die palästinensische Führung sämtliche Überweisungen ab, was die Autonomiebehörde in Finanzschwierigkeiten gestürzt hat.

Nach Ansicht des palästinensischen Politikexperten Jihad Harb hat die Autonomiebehörde weiter an Vertrauen in der Bevölkerung eingebüßt. Laut einer Umfrage halten 80 Prozent der Palästinenser die Autonomiebehörde für korrupt. In einer vom Palestinian Center for Policy and Survey Research im März vorgestellten Umfrage sind 60 Prozent für den Rücktritt des 84-jährigen Präsidenten, der seit 2004 amtiert und sich seit 2009 einer Wahl stellen müsste.

Schtaje warnte in einem am Mittwoch publizierten Interview mit der New York Times davor, dass die Autonomiebehörde bis August kollabieren werde, wenn die finanziellen Probleme nicht geklärt werden.

Er kritisierte auch die von der US-Regierung geplante Konferenz in Bahrein Ende Juni, bei der ein Investitionsplan für die Palästinenser vorgestellt werden soll. Erst zu einem späteren Zeitpunkt will Präsident Donald Trump den politischen Teil seines Nahost-Friedensplans präsentieren. "Das sind die gleichen Leute, welche die finanziellen Ressourcen der Palästinenser austrocknen", kritisierte Schtaje mit Verweis auf Kürzungen der Hilfen für Palästinenser durch Trump. Der US-Präsident hatte die Mittel für das Palästinenserhilfswerk UNRWA um 360 Millionen pro Jahr gekürzt.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4476046
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 06.06.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.