Süddeutsche Zeitung

Nahost-Politik:Möllemann polarisiert mal wieder

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Jürgen Möllemann hat der FDP eine Antisemitismus-Debatte beschert und damit für Unmut gesorgt. Mehrere Parteiprotagonisten bemühten sich, die FDP auf gleiche Distanz zu Israelis und Palästinensern zurückzubringen.

Bernd Oswald, Mannheim

Jürgen W. Möllemann war wieder mal der Auslöser. Mit seinen umstrittenen Äußerungen zur Selbstverteidigungsrecht der Palästinenser hat er in seiner Partei eine Nahost-Debatte losgetreten. Die große alte Dame der FDP Hildegard Hamm-Brücher drohte wegen Möllemann sogar mit einem Partei-Austritt.

Hamm-Brücher schrieb in einem Brief an Parteichef Westerwelle: "Es beunruhigt mich sehr, dass sich unsere Partei in ihren Äußerungen zur Nahost-Politik mehr und mehr den sattsam bekannten antiisraelischen und einseitig propalästinensischen Positionen des Herrn Möllemann annähert." Falls es nicht zu einer unmissverständlichen Kursänderung komme, werde sie die FDP, der sie seit 1948 angehört, verlassen.

Karsli wird nicht in die FDP aufgenommen

Möllemann hatte im Vorfeld des Parteitages gesagt, er würde sich auch auf dem Gebiet des Aggressors verteidigen. Für weiteren Unmut bei den Liberalen sorgte er mit der Entscheidung, den früheren Grünen-Politiker Jamal Karsli in die nordrhein-westfälischen FDP-Landtagsfraktion aufzunehmen. Karsli hatte der israelischen Regierung zuvor "Nazi-Methoden" beim Vorgehen gegen die Palästinenser vorgeworfen.

Der aus Syrien stammende Deutsche wollte zum FDP-Parteitag in Mannheim kommen, wurde aber ausgeladen. Führende FDP-Politiker wie der Partei-Vize Walter Döring und Vorstandsmitglied Burkhard Hirsch hatten sich gegen die Aufnahme Karslis in die FDP ausgesprochen. Inzwischen hat die Partei beschlossen, dass Karsli nicht FDP-Mitglied werden darf. Generalsekretärin Cornelia Pieper legte NRW-Fraktionschef Möllemann nahe, den früheren Grünen-Politiker nicht in die Fraktion aufzunehmen.

Möllemann kam trotz einer schweren Erkältung auf den Parteitag, um sich gegen die Vorwürfe zu verteidigen. Er forderte die Delegierten auf: "Lassen sie nicht zu, dass man in die Ecke des Antisemitismus geschoben wird, weil man Kritik an Ariel Scharon übt." Der stellvertretende FDP-Vorsitzende erneuerte seine Kritik am israelischen Ministerpräsidenten: Bei Scharons Politik stehe nicht der Ausgleich und die friedliche Einigung im Mittelpunkt, sondern eigene nationale Interessen.

Konferenz für Sicherheit im Nahen Osten gefordert

Mit keinem Wort wandte sich Möllemann, der Präsident der deutsch-arabischen Gesellschaft ist, in seiner Rede gegen die Selbstmordanschläge der Palästinenser. Fraktionschef Wolfgang Gerhardt hatte den Beratern Möllemanns empfohlen, wenigstens einen oder zwei Sätze auch über die palästinensischen Anschläge zu verlieren.

Zuvor hatte Gerhardt die Nahost-Politik zum Schwerpunkt seiner außenpolitischen Rede gemacht. An die Palästinenser appellierte er: "Kein Widerstandsrecht der Welt legitimiert dazu, Selbstmörder zu rekrutieren und Unschuldige mit in den Tot zu reißen." Allerdings gestand er den Palästinensern auch das Recht auf einen Staatsverbund zu, der nicht "wie ein Schweizer Käse durchlöchert ist." Gerhardt forderte Israel auf, seine Soldaten aus den besetzten Palästinenser-Gebieten zurückzuziehen.

Einem Parteitagsbeschluss zur Nahostpolitik zufolge soll sich Deutschland für eine europäische Friedensinitiative einsetzen. Konkret fordert die FDP eine internationale Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit im Nahen Osten (KSZNO), bei deren Umsetzung die Vereinten Nationen eine Schlüsselrolle spielen sollen. Vorbild ist die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE, früher KSZE), die zu Zeiten des Ostblocks eine Entspannungspolitik in Europa verfolgt hatte.

(sueddeutsche.de)

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