Süddeutsche Zeitung

Nahost:Olmert: Habe Palästinensern Ost-Jerusalem angeboten

Offene Worte von Israels Ex-Premier: Ehud Olmert enthüllt geheime Details des gescheiterten Friedensplans von 2008 - Hamas müht sich angeblich um Kontakt mit Washington.

Ehud Olmert sorgt wieder für Schlagzeilen. Der frühere israelische Ministerpräsident hat in einem politischen Vortrag die bisher detailliertesten Einblicke in seinen Friedensplan gegeben, der 2008 von den Palästinensern als unzureichend abgelehnt wurde. Inzwischen will die palästinensische Führung diesen Plan zum Ausgangspunkt für die nach fast zweijähriger Unterbrechung gerade wieder in Gang gekommenen Direktverhandlungen machen.

Doch Olmerts Nachfolger als Regierungschef, Benjamin Netanjahu, lehnt dies ab. In seinem am Sonntag in Tel Aviv gehaltenen Vortrag sagte Olmert, er habe den Palästinensern für ihren Staat fast 94 Prozent des Westjordanlands angeboten, wobei Israel für annektierte Gebiete zum Landtausch bereit gewesen wäre. Westjordanland und Gazastreifen sollten durch eine Passage über israelisches Gebiet miteinander verbunden werden und arabische Viertel in Ostjerusalem sollten zur Hauptstadt des Staates Palästina werden. Die Jerusalemer Altstadt mit ihren heiligen Stätten sollten von Israel, Palästina, Jordanien, den USA und Saudi-Arabien gemeinsam verwaltet werden.

Zugeständnisse bei Flüchtlingsfrage

Olmerts Angaben zufolge war Israel auch zur Anerkennung des Leids palästinensischer Flüchtlinge bereit, die bei der Staatsgründung Israels 1948 vertrieben wurden. Aus humanitären Gründen sei Israel zur Aufnahme von weniger als 20.000 Flüchtlingen bereit gewesen, die USA wollten 100.000 weitere einbürgern, um einen Friedensvertrag zu erreichen. 1948 wurden rund 700.000 Palästinenser aus ihren Häusern im heutigen Israel vertrieben. Die Palästinenser verlangen die Rückkehr dieser Flüchtlinge und ihrer Nachkommen - inzwischen rund fünf Millionen Menschen. Dies lehnt Israel bisher ab.

Olmert sagte, sein Friedensangebot vom 13. September 2008 könnte heute noch Grundlage für eine Lösung des Nahostkonflikts sein. "Wir stehen wirklich kurz davor, zumindest was das angeht, was ich an Ansichten von der palästinensischen Führung weiß", sagte er. Falls Netanjahu ein Abkommen mit dem palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas erreichen sollte, "haben Sie dessen wichtigste Details heute Abend gehört". Olmert sagte den Angaben zufolge, eine dauerhafte Friedensregelung in Nahost könne nur auf der Basis der Grenzen vor dem Sechstagekrieg von 1967 geschlossen werden.

"Wenn es jemanden auf der Welt gibt, der glaubt, man könne ein Abkommen ohne eine Teilung Jerusalems schließen - macht er sich einfach etwas vor", sagte der ehemalige Regierungschef den Berichten zufolge. Die Palästinenser fordern den arabischen Ostteil Jerusalems als Hauptstadt eines künftigen unabhängigen Staates. Israel beansprucht jedoch bislang ganz Jerusalem als "ewige, unteilbare Hauptstadt".

Hamas lotet offenbar Gesprächsmöglichkeiten aus

Der palästinensische Unterhändler Sajeb Erakat bestätigte Olmerts Angaben. Die Palästinenser hätten einen Gegenvorschlag gemacht und ihre eigene Karte beim damaligen US-Präsidenten George W. Bush hinterlegt. Details wollte er nicht nennen. Die Gespräche mit Israel seien bis zur israelischen Invasion im Gazastreifen Ende 2008 weitergegangen. Danach seien sie abgebrochen worden. Bald darauf verlor Olmerts Partei die israelische Parlamentswahl.

Olmert bekleidete das Amt des israelischen Regierungschefs zwischen 2006 und 2008. Er trat bei Neuwahlen nicht mehr an, gegen ihn laufen Verfahren wegen Korruptionsverdachts. Der Ex-Premier wird in der nächsten Zeit seine Memoiren veröffentlichen. Inzwischen meldete sich auch die radikalislamische Hamas zu Wort:

Die Extremisten-Organisation, die den Gazastreifen kontrolliert und sich nach wie vor die Zerstörung Israels verschrieben hat, will offenbar Gesprächskanäle öffnen. Wie Haaretz unter Bezug auf das israelische Radio berichtet, bat Hamas die amerikanische Regierung indirekt, einen Dialog zu beginnen. Diese Bitte sei an amerikanische Wissenschaftler und Politiker herangetragen worden, die den Gazastreifen besucht hätten.

Dem Bericht zufolge behauptete die islamistische Organisation, sie hätte Washington in der Vergangenheit angeboten, einen palästinensischen Staat in den Grenzen von 1967 zu akzeptieren.

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