Nahost-Konflikt:Der vorerst letzte Versuch, den Nahen Osten zu retten

Nahost-Konflikt: Gibt es noch eine friedliche Lösung zwischen Israel und Palästina? Der scheidende US-Außenminister John Kerry spricht bei der Nahost-Konferenz in Paris mit Diplomaten.

Gibt es noch eine friedliche Lösung zwischen Israel und Palästina? Der scheidende US-Außenminister John Kerry spricht bei der Nahost-Konferenz in Paris mit Diplomaten.

(Foto: AP)
  • Frankreichs Präsident François Hollande spricht sich auf der Nahost-Konferenz für die Zwei-Staaten-Lösung aus: "Sie ist immer noch das Ziel der internationalen Staatengemeinschaft."
  • Nach dem Scheitern vieler US-Vermittlungsmissionen droht die französische Initiative der vorerst letzte Versuch zu sein, Bewegung in die seit 2014 festgefahrenen Friedensgespräche zu bringen.
  • Auf der Konferenz in Paris waren einschließlich der USA und Russlands alle wichtigen Akteure der Nahost-Politik vertreten - nur Israel und die Palästinenser nicht. Israels Premierminister Benjamin Netanjahu boykottierte das Treffen.

Von Leo Klimm und Peter Münch, Paris/Tel Aviv

Draußen ging Schneeregen über Paris nieder, als drinnen die Vertreter von 75 Staaten und internationalen Organisationen den Anbruch einer neuen Eiszeit im Nahost-Friedensprozess zu verhindern suchten. Kurz vor der Amtseinführung Donald Trumps versammelten sie sich am Sonntag im Konferenzzentrum des französischen Außenministeriums, um ein Signal an den künftigen US-Präsidenten zu senden, der zuletzt einseitig pro-israelische Positionen eingenommen hat. Gastgeber Frankreich wollte noch einmal einen Versuch unternehmen, die sogenannte Zwei-Staaten-Lösung als Friedensplan für den Nahen Osten zu retten - in der Hoffnung, so zu Beginn der Ära Trump zumindest die Möglichkeit neuer bilateraler Verhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern zu erhalten.

"Die Zwei-Staaten-Lösung ist nicht der Traum eines überkommenen Systems", sagte Frankreichs Präsident François Hollande. "Sie ist immer noch das Ziel der internationalen Staatengemeinschaft." Im Abschlusskommuniqué wurden Israel und die Palästinenser aufgefordert, ihr Engagement für diese Lösung zu erneuern und "auf unilaterale Schritte zu verzichten, die dem Ergebnis von Verhandlungen vorgreifen könnten". Damit ist besonders der ungebremste Bau israelischer Siedlungen auf Palästinensergebiet gemeint, der vollendete Tatsachen schafft und die Aussicht auf einen eigenständigen Palästinenserstaat zunichte macht.

Israel spricht von einer "nutzlosen Konferenz"

Hollandes Außenminister Jean-Marc Ayrault sagte, die Botschaft der Konferenz an Trumps Regierung sei: "Die ganze Welt will die Zwei-Staaten-Lösung." In Paris waren einschließlich der USA und Russlands alle wichtigen Akteure der Nahost-Politik vertreten - nur Israel und die Palästinenser nicht. Premierminister Benjamin Netanjahu boykottierte das Treffen, weil er den multilateralen Ansatz grundsätzlich ablehnt.

Hollande räumte ein, nur die beiden verfeindeten Parteien selbst könnten Friedensverhandlungen führen. "Es geht nicht darum, die Parameter einer Einigung zu diktieren." Um aber die Zwei-Staaten-Lösung am Leben zu halten, formulierte die Konferenz drei Ziele: Zum Ersten versprechen die Wirtschaftspartner Israels und der Palästinenser - darunter die EU, die USA und China -, ihre Handelsbeziehungen mit beiden Parteien auszubauen, sollten diese Frieden miteinander schließen.

Die EU bot auch eine "besondere privilegierte Partnerschaft" an. "Das Potenzial für Investitionen ist riesig", so Ayrault. Zum Zweiten wollen die Konferenzstaaten ihre Beziehungen zu den Akteuren der sogenannten Zivilgesellschaft in der Region ausbauen, um auch ohne offizielle Kooperation beider Seiten die Chancen für ein Ende der Gewalt zu erhalten. Drittens wurde unter deutscher Federführung ein Plan erarbeitet, dank dem ein künftiger Palästinenserstaat über solide Institutionen verfügen soll.

Nach dem Scheitern zahlreicher US-Vermittlungsmissionen droht die französische Initiative der vorerst letzte Versuch zu sein, Bewegung in die seit 2014 festgefahrenen Friedensgespräche zwischen Israel und den Palästinensern zu bringen. Trump hatte schon sein Missfallen ausgedrückt, als die Regierung des scheidenden US-Präsidenten Barack Obama kurz vor Weihnachten eine Resolution des UN-Sicherheitsrats passieren ließ, die den Siedlungsbau verurteilte. Am Sonntag warnten die Teilnehmer der Konferenz, die israelische Landnahme könnte neue Gewalt hervorrufen. Dagegen diene die Zwei-Staaten-Lösung auch Israels Sicherheit.

Ayrault stufte die von Trump angekündigte Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem als "Provokation" ein, die "schwerwiegende Folgen" hätte. Ähnlich äußerte sich sein deutscher Amtskollege Frank-Walter Steinmeier. Das Risiko einer Eskalation in Nahost sei spürbar, so Steinmeier.

Aus Israel kam weiter scharfe Kritik an der Pariser Zusammenkunft. Dies sei eine "nutzlose Konferenz", die von Frankreich und den Palästinensern koordiniert worden sei, sagte Netanjahu zu Beginn der wöchentlichen Kabinettssitzung in Jerusalem. "Ihr Ziel ist es, Israel Bedingungen aufzuzwingen, die nicht seinen nationalen Bedürfnissen entsprechen." Oppositionsführer Isaac Herzog warf den Regierungschef dagegen vor, Israels Interessen zu schaden. Statt "vom Schlachtfeld wegzulaufen" hätte er die Gelegenheit nutzen sollen, in Paris "klare Positionen" zu vertreten.

Wegen Israels Boykott waren auch die Palästinenser nicht nach Paris eingeladen worden. Ihr Präsident Mahmud Abbas hielt sich dennoch in der Nähe auf. Am Samstag eröffnete er in Rom die palästinensische Botschaft beim Vatikan und traf Papst Franziskus zu einer Privataudienz. Abbas warnte, dass die Pariser Konferenz die "letzte Chance" zur Rettung der Zwei-Staaten-Lösung sein könnte. Von Ramallah aus forderte das palästinensische Außenministerium die Bildung einer internationalen Koalition, die für eine Umsetzung der Pariser Beschlüsse sorgen solle. Israel wurde vorgeworfen, die Zwei-Staaten-Lösung mit dem Siedlungsbau zu untergraben.

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