Süddeutsche Zeitung

Nahost:Israel lässt Ahed Tamimi frei

Die 17 Jahre alte Palästinenserin, die vielen als Symbol gilt, kündigt bereits weitere Proteste an.

Von Alexandra Föderl-Schmid, Tel Aviv

Bei der Ankunft in ihrem Heimatort Nabi Salah wurde Ahed Tamimi von einer großen Menge mit Jubelrufen empfangen. Die 17-jährige Palästinenserin war acht Monate in Haft, weil sie zwei israelische Soldaten beschimpft und zumindest einem ins Gesicht geschlagen hatte. Aufnahmen von dem Vorfall hatte ihre Mutter vergangenen Dezember ins Internet gestellt, sie verbreiteten sich rasch über die sozialen Medien. Einen Tag später wurden die damals 16-Jährige, ihre Mutter und eine Cousine festgenommen. "Der Widerstand wird weitergehen, bis die Besatzung endet", sagte sie nach ihrer Freilassung am Sonntag. Ihre ebenfalls zu acht Monaten Haft verurteilte Mutter durfte das Gefängnis am Sonntag ebenfalls verlassen.

Ahed Tamimi wurde für viele Palästinenser zu einer Symbolfigur: das Mädchen mit dem markanten Lockenkopf, das sich gegen die Besatzer auflehnt. Von vielen Israelis wird sie als gefährliche Aufwieglerin eingestuft, die Soldaten provoziert. Ihre Eltern wurden bereits mehrmals zu Gefängnisstrafen wegen Widerstandes gegen die israelische Besatzung verurteilt. Ihnen wurde vorgeworfen, ihre Kinder in den vergangenen Jahren instrumentalisiert zu haben, weil diese Fernsehinterviews gaben und sich bei ihren Protesten filmen ließen. Die Bewohner des Dorfes Nabi Saleh im Westjordanland kämpfen seit Jahren gegen die Beschlagnahme von Land durch Israel, was immer wieder zu Konflikten mit der Armee und jüdischen Siedlern führt.

Zwei Italiener wurden festgesetzt. Sie sollen ein Porträt Tamimis auf die Grenzmauer gemalt haben

Tamimi wurden insgesamt zwölf Vorfälle zur Last gelegt. Nach einem dreimonatigen Gefängnisaufenthalt wurde sie von einem israelischen Militärgericht zu acht Monaten Haft wegen vier Delikten verurteilt, nachdem sie ein Schuldeingeständnis abgelegt hatte. Zusätzlich muss sie eine Geldstrafe von umgerechnet 1437 Dollar bezahlen. "Minderjährige vor Militärgerichte zu stellen ist nicht der richtige Weg, um den Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern zu beenden", sagte ihre Anwältin Gaby Lasky nach ihrer Freilassung. Laut palästinensischen Angaben sind derzeit 300 minderjährige Palästinenser in israelischen Gefängnissen. PLO-Vertreter Saeb Erekat nannte Tamimi ein "Symbol für palästinensischen Stolz und Würde".

Ihr Vater Bassem Tamimi kündigte Auftritte seiner Tochter in den nächsten Wochen im gesamten Westjordanland an. Ihr Konterfei erscheint inzwischen auf T-Shirts und prangt seit Mittwoch auf der Mauer zwischen Israel und dem Westjordanland bei Bethlehem. Am Samstag wurden ein Palästinenser und zwei italienische Graffiti-Künstler verhaftet, die die Zeichnung auf dem Betonwall gemacht haben sollen. Ihnen wird Beschädigung der Grenzanlage vorgeworfen. Die Italiener wurden ausgewiesen.

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Quelle:
SZ vom 30.07.2018
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