Süddeutsche Zeitung

Nahost:Im Zeichen des Kleeblatts

Außenminister Heiko Maas trifft die Kollegen aus Ägypten, Frankreich und Jordanien - beflügelt vom Präsidentenwechsel in den USA hoffen sie auf das Wiederbeleben von Friedensgesprächen zwischen Israel und den Palästinensern.

Von Daniel Brössler, Kairo

Wenn der deutsche Außenminister eine seiner selten gewordenen Reisen macht, geht es natürlich um die neue Weltlage, aber an diesem diesigen Morgen in Kairo sieht es erst einmal so aus, als sei alles beim Alten. Zusammen mit seinem Kollegen Jean-Yves Le Drian beginnt Heiko Maas seinen Tag in der Residenz des französischen Botschafters.

Die beiden Minister haben zwei Menschenrechtler zu Gast. Es geht auch um die neue Lage, in der sich einer wie Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi nicht mehr auf seinen Gönner Donald Trump verlassen kann. Es gibt nun nicht länger einen "Blankoscheck für Trumps Lieblingsdiktator", wie der künftige US-Präsident Joe Biden es formuliert hat. Für die verfolgten Oppositionellen und Menschenrechtler ändert das freilich erst einmal so wenig, dass sie ihre Namen sicherheitshalber nicht veröffentlicht wissen wollen.

Das aber, meint Maas, könne sich ändern. Joe Biden habe einen Gipfel der Demokratie angekündigt, erinnert er in Kairo. Der künftige US-Präsident wolle dafür sorgen, dass die "liberalen Demokratien in der Welt besser zusammenarbeiten". Es werde sicherlich "viel effektiver sein, wenn wir gemeinsam Länder wie Ägypten auch auf Menschenrechtsfragen ansprechen und auf die Einhaltung von Menschenrechten pochen". So will er auch seinen "Marshall-Plan für die Demokratie" verstanden wissen, für den er viel Spott geerntet hat, weil das bei etlichen so angekommen ist, dass ausgerechnet Deutschland den USA jetzt einmal die Demokratie erklären wolle.

Der Wahlsieg Bidens hat die Fantasie von Maas und die seiner Diplomaten jedenfalls beflügelt. Das ist auch einer der Gründe dafür, dass der Außenminister mit dem nagelneuen Airbus A 350 Kurt Schumacher der Bundesregierung zum Jungfernflug nach Kairo aufgebrochen ist, obwohl die Corona-Pandemie auch hier unerbittlich wütet.

Wenn es um Kriege und Konflikte gehe, müsse man seinen Gesprächspartnern auch "in Zeiten wie diesen" gegenübersitzen können, begründet er das. Maas spricht im Tahrir-Palast des ägyptischen Außenministeriums mit seinen Kollegen aus Frankreich, Ägypten und Jordanien darüber, ob und wie es nach dem Amtsantritt Bidens wieder so etwas wie einen Friedensprozess geben kann zwischen Israelis und Palästinensern.

Was Trump herbeigedealt hat, gilt als durchaus hilfreich

"Kleeblatt" nennen sie diese seit einem knappen Jahr existierende Vierer-Formation im Auswärtigen Amt. Das soll hoffnungsvoll klingen. Maas spricht in der Pressekonferenz denn auch von Entwicklungen, die "beweisen, dass Frieden in der Region kein Fremdwort sein muss". Er meint die von Trump herbeigedealte Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und mehreren arabischen Staaten sowie die Zusage Israels, im Gegenzug Pläne einzufrieren, Teile des Westjordanlandes zu annektieren. Das habe den Frieden "näher gebracht", meint auch Le Drian. Ohne Verhandlungen aber werde es keine "Lösung geben, welche die Wünsche beider Völker respektiert".

Die Chancen dafür stehen nun, da sind sich die vier Minister einig, etwas besser als noch vor einiger Zeit. "Wir glauben fest an die Rolle der USA bei der Suche nach einer Lösung", sagt der ägyptische Außenminister Samih Schukri. In einer gemeinsamen Erklärung rufen die Minister Israelis und Palästinenser auf, wieder direkte Gespräche aufzunehmen und so "Hoffnung auf Grundlage eines glaubwürdigen Dialoges" zu schaffen.

Nach der Wahlniederlage Trumps, der Jerusalem als israelische Hauptstadt anerkannt hatte und aus ihrer Sicht einen grotesk einseitigen Friedensplan vorgelegt hatte, hatten die Palästinenser immerhin die Sicherheitszusammenarbeit mit Israel wieder aufgenommen.

Die Frage ist: Hat die neue Regierung in Washington überhaupt Zeit für diese Weltregion?

Allzu großen Optimismus bremst Maas allerdings doch. Die Frage ist ja, ob Biden und seine Leute überhaupt die Zeiten finden, sich mitten im Washingtoner Wirbel neben drängenden Themen wie China und Iran auch noch einem Frieden zu widmen, an den nur wenige wirklich glauben. "Auf der Zeitachse" werde der Nahost-Friedensprozess wohl "nicht die erste Priorität" der neuen US-Regierung werden, gibt Maas zu. Zumal es den Ausgang der Wahlen in Israel und womöglich auch in den Palästinensergebieten abzuwarten gelte. Die Zeit bis dahin wolle man nutzen für "vertrauensbildende Maßnahmen".

Das Schlagwort fällt immer wieder beim Treffen in Kairo. Offen allerdings bleibt, worin sie eigentlich bestehen könnten. In Israel treibt Premierminister Benjamin Netanjahu noch kurz vor der Amtseinführung Bidens den Siedlungsbau weiter voran. Zudem hat sich für Israel die Lage fundamental geändert durch die Normalisierung im Verhältnis zu mehreren arabischen Staaten. Man wolle jetzt, versprechen sich die vier Minister vage, noch einmal mit Israelis und Palästinensern reden.

Am Ende wird der ägyptische Außenminister noch auf die Lage der Menschenrechte in seinem Land und den neuen US-Präsidenten angesprochen. "Die neue US-Regierung ist sicher bedacht auf die Menschenrechtslage. Wir sind es auch", sagt Außenminister Schukri schnippisch. Die Ägypter wüssten allerdings selber am besten, was sie von ihrer Regierung erwarteten.

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